Online-Projekt "If we were Syrian" Wenn Deutschland Syrien wäre, wären in Leverkusen alle tot

Washington · Hilfsorganisationen erneuern angesichts der Millionen Flüchtlinge aus Syrien immer wieder ihren Appell an die westlichen Länder, mehr Menschen von dort aufzunehmen. Doch nur zögerlich wird dies auch getan. Genau das ist zwei Journalisten bitter aufgestoßen. Und so haben sie ein Projekt ins Leben gerufen, dass den syrischen Bürgerkrieg auf die G7-Staaten überträgt.

2012: Syrer fliehen vor dem Bürgerkrieg
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2012: Syrer fliehen vor dem Bürgerkrieg

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Foto: dpa, Anadolu Agency

Flüchtlingsboote vor Italien, überfüllte Auffanglager im Libanon, in der Türkei und in Jordanien — der Bürgerkrieg in Syrien hat auch in Bezug auf die Vertriebenen und ihre Aufnahmeländer verheerende Folgen. Mehr als neun Millionen Menschen sind angesichts der Kämpfe zwischen den Rebellen und der Armee des Assad-Regimes aus ihrer Heimat geflohen, haben alles verloren. Rund 160.000 Menschen starben zudem im Konflikt.

Angesichts dessen fordern die Aufnahmeländer und auch Hilfsorganisationen immer wieder, dass weitere Länder noch mehr Flüchtlinge aufnehmen — auch Deutschland. Mitte Juni hatte die Bundesrepublik angekündigt, weitere 10.000 syrische Flüchtlinge aufnehmen zu wollen. Doch das Engagement vieler westlicher Staaten geht zwei Journalisten nicht weit genug. Daher überlegten sie sich, wie sie den Bürgerkrieg in Syrien und seine Folgen den Menschen begreifbarer machen können.

Herausgekommen ist das Projekt "If we were Syrian". Auf ihrer Webseite übertragen die beiden Journalisten Shannon Gormley und Drew Gough den Bürgerkrieg auf die G7-Staaten USA, Kanada, Japan, Frankreich, Großbritannien, Italien und auch Deutschland.

Berlin, München, Dortmund und Frankfurt wären menschenleer

Für Deutschland sieht das dann so aus: Wenn die Bundesrepublik Syrien wäre, dann, so schreiben die Macher, wären alle Menschen in Leverkusen (160.000) tot, darunter mehr als 10.000 Kinder. Die Großstädte Berlin, München, Dortmund und Frankfurt/Main wären Geisterstädte, weil die Menschen vor den Wirren des Krieges entweder in andere Bundesländer oder ins benachbarte Ausland geflohen wären. 4,8 Millionen Kinder hätten ihr Zuhause verloren.

Ähnliche Vergleiche werden auch mit den anderen Staaten gemacht. So wären angesichts der Flüchtlingswelle in Italien die zwölf größten Städte leergefegt, in Frankreich sogar die 37 größten Städte. Aus New York City in den USA wären 8,3 Millionen Menschen geflohen, aus Toronto, Vancouver und Montreal in Kanada 9,3 Millionen Menschen.

Bitte um Hilfe

"Wir öffnen unsere Grenzen nicht genug, wir helfen nicht genug", schreiben die Projektgründer zur Erläuterung auf ihrer Webseite. "Aber wenn wir uns die Krise in unserem eigenen Land vorstellen könnten, würden wir die Menschen mit mehr Entschlossenheit unterstützen", geben sich beiden überzeugt. Man habe die Vergleiche angestellt, um zu verdeutlichen, was Tod und Vertreibung für eine Nation, die man gut kennt, bedeuten würden.

Gormley und Gough hoffen, dass die Menschen, die sich ihr Projekt anschauen, für die Flüchtlinge spenden. Aber sie bitten auch darum, dass sie sich an die für sie zuständigen Abgeordneten wenden mit der Bitte, sich mehr für die syrischen Flüchtlinge einzusetzen. Und damit der User nicht selbst einen Brief formulieren muss, haben sie auch in den entsprechenden Landessprachen eine Vorlage online gestellt.

(das)
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