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US-Bundesstaat Alabama Im Süden kämpfen Weiße für eine neue Rassentrennung

In Alabama und anderen amerikanischen Südstaaten arbeiten Aktivisten, die nichts von gemeinsamen Schulen für Schwarz und Weiß halten, mit allen verwaltungstechnischen Tricks daran, die Uhren zurückzustellen.

 Gardendale, eine wohlhabende Satellitenstadt am Rande von Birmingham, Alabama, deren Bevölkerung zu rund 90 Prozent aus Weißen besteht. An der dortigen High School hat sich eine heftige Kontroverse entzündet.

Gardendale, eine wohlhabende Satellitenstadt am Rande von Birmingham, Alabama, deren Bevölkerung zu rund 90 Prozent aus Weißen besteht. An der dortigen High School hat sich eine heftige Kontroverse entzündet.

Foto: Frank Herrmann

Terrence Roberts erinnert sich noch gut an den Tag, an dem sie Dr. Martin Luther King zu Onkel Martin gemacht haben, zu Ernest Greens Onkel Martin. Green wollte den Prediger unbedingt dabeihaben bei der feierlichen Zeugnisübergabe seiner Schule, im Quigley-Stadium in Little Rock, zumal der Anlass ein historischer war. Als erster Schwarzer in der Geschichte Little Rocks, als erster Schwarzer überhaupt in einer größeren Stadt des amerikanischen Südens, hatte der 18-Jährige seinen Abschluss an der Central High School gemacht.

Man schrieb das Jahr 1958, der Kongress in Washington rief die Weltraumbehörde Nasa ins Leben, der Süden aber stand noch immer im Zeichen der Rassentrennung. Greens Zeugnis also sollte gebührend gefeiert werden. Vier Jahre nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs, der im Fall Brown versus Board of Education entschied, dass getrennte Schulen für Weiße und Schwarze der Verfassung widersprechen, war es der nächste Meilenstein der Bürgerrechtsbewegung. Nach den Regeln der Schule, erzählt Roberts, durften aber nur Verwandte erscheinen. "Da haben wir Dr. King eben zu Onkel Martin erklärt", sagt er und freut sich über das Gelächter im Saal.

East Cobb Middle School, eine Schule in Marietta, im wohlhabenden Speckgürtel um Atlanta. Roberts, ein drahtiger Mann mit blank polierter Glatze, ist gekommen, um über die Ära der Segregation zu reden. Als Erstes lässt er historische Bilder über eine Leinwand flimmern. Little Rock, Arkansas, im Herbst 1957. Roberts, damals 15, steht mit aufgekrempelten Hemdsärmeln zwischen behelmten Soldaten. Sie sollen ihm eine Schneise durch eine wütende Menge weißer Südstaatler bahnen, in deren Augen Schwarze an der Central High School nichts verloren haben.

 Terrence Roberts, eine der "Little Rock Nine", der ersten schwarzen Schüler, die 1957 in einer größeren Stadt des amerikanischen Südens eine bis dahin ausschließlich Weißen vorbehaltene Schule besuchten.

Terrence Roberts, eine der "Little Rock Nine", der ersten schwarzen Schüler, die 1957 in einer größeren Stadt des amerikanischen Südens eine bis dahin ausschließlich Weißen vorbehaltene Schule besuchten.

Foto: Frank Herrmann

"Rassen zu mischen, ist Kommunismus", steht auf einem Plakat. "Geht zurück nach Afrika!" auf einem anderen. Neun schwarze Teenager, die "Little Rock Nine", sehen sich mit mehreren Hundert zornigen Demonstranten konfrontiert. Eine der neun, Elizabeth Eckford, wird nicht nur beschimpft, sondern auch angespuckt. Seine Mutter, erinnert sich Roberts, sei von einem Unbekannten angerufen worden, der ihr mitteilte, dass ihr Sohn verprügelt worden sei und in Lebensgefahr schwebe. "Sie eilte zur Schule, und da war ich, mir fehlte nichts. Jemand hatte sich einen makabren Spaß erlaubt."

Roberts lebt heute als Unternehmensberater im kalifornischen Pasadena. Er ist beneidenswert fit für seine 76 Jahre, und wenn er Revue passieren lässt, was damals in Little Rock geschah, verfällt er bisweilen in einen spöttischen Ton. "Wow, die Armee auf meiner Seite! Wer hätte das gedacht!" Auf die Frage, welche Fortschritte das Land seither gemacht habe, zitiert er Malcolm X, den feurigen Prediger schwarzen Selbstbewusstseins, der Kings gewaltlosen Widerstand als zu brav empfand. "Du hast mir ein acht Zoll langes Messer in den Rücken gestoßen. Jetzt hast du es um zwei Zoll herausgezogen. Und das nennst du Fortschritt?"

 Terrence Roberts, eine der "Little Rock Nine", der ersten schwarzen Schüler, die 1957 in einer größeren Stadt des amerikanischen Südens eine bis dahin ausschließlich Weißen vorbehaltene Schule besuchten.

Terrence Roberts, eine der "Little Rock Nine", der ersten schwarzen Schüler, die 1957 in einer größeren Stadt des amerikanischen Südens eine bis dahin ausschließlich Weißen vorbehaltene Schule besuchten.

Foto: Frank Herrmann

90 Prozent der Amerikaner, so sagt Roberts ernst, hätten sich für eine Art Monokulturalismus entschieden. Sie redeten sich ein, dass man sich unter seinesgleichen wohler fühle. Das spüre man auch an den Schulen, wo der Trend vielerorts in die falsche Richtung gehe, zurück zur Rassentrennung.

Gardendale, eine Kleinstadt nahe Birmingham, steht für solides Mittelschichtenmilieu. Gepflegte Parks, viele Kirchen, typisches Südstaatenambiente. Der Stolz der Stadt ist die neue High School, deren Säulenportal an einen griechischen Tempel erinnern soll. 2010 wurde die Schule eingeweiht, drei Jahre darauf tauchten Flugblätter auf. Sie zeigten ein blondes Mädchen, über dessen Kopf eine scheinbar unschuldige Frage schwebte. "Welchen Weg wird Gardendale wählen?" Die Frage sei, ob es sich ein Beispiel an Pleasant Grove, Center Point und Adamsville oder an Homewood, Hoover, Vestavia Hills und Trussville nehme. In den Südstaaten sind das chiffrierte Botschaften. In Pleasant Grove, Center Point und Adamsville ist der Anteil von Afroamerikanern an der Bevölkerung hoch, in Homewood, Hoover, Vestavia Hills und Trussville leben überwiegend Weiße.

Verteilt wurden die Flugblätter von einer Bürgerinitiative, die wiederholen wollte, was andere vorgemacht hatten. Jede Gemeinde mit mehr als 5000 Einwohnern kann einen eigenen Schulbezirk gründen, und genau das haben Homewood, Hoover, Vestavia Hills und Trussville getan. Es ging darum, weiße Schüler weitgehend von schwarzen zu trennen. Gardendales Bevölkerung besteht zu rund neun Zehnteln aus Weißen, die Schulen der Stadt werden zu etwa einem Viertel von Schwarzen besucht.

Manche sprechen euphemistisch von den "Bus Kids", weil Letztere in gelben Schulbussen in die Stadt gefahren werden, während die Mütter und Väter von Gardendale ihre Kinder in aller Regel im eigenen Auto zum Unterricht bringen. Die Zahl der "Bus Kids" drastisch zu senken, darum ging es. Was Patrick Martin freilich nie zugeben würde.

Ein nahezu leeres Büro

Der Schulrat empfängt in einem nahezu leeren Büro, sichtlich überrascht, dass sich ein Reporter aus Übersee bei ihm blicken lässt. Man könnte vielleicht sagen, dass die Schulinitiative die Qualität des Unterrichts steigern wolle. Man könnte auch sagen, dass sie die lokale Kontrolle zu stärken versuche, druckst er herum. Martin ist ein Unikum, ein Schulrat ohne Schule. Die Stadtverwaltung Gardendales setzte ihn ein, nachdem sie, ausnahmslos mit Weißen besetzt, für die Schaffung eines eigenen Schulbezirks gestimmt hatte. Und damit für die Trennung von dem Bezirk, zu dem man derzeit gehört, sprich: vom afroamerikanischen Umland. Offenbar war sie überzeugt davon, dass niemand ihr Steine in den Weg legen würde. Womit sie nicht gerechnet hatte, waren Leute wie Ricky Reeves.

Reeves war lange beim Militär, im Vietnamkrieg bei der Air Force. Man merkt es an seiner Art, in kurzen, präzisen Sätzen zu sprechen, ohne ein überflüssiges Wort. "Jemand musste sagen, hier hört es auf", erklärt er, warum er vor Gericht zog. Als auch noch Gardendale dem Beispiel von Pleasant Grove, Center Point und Adamsville folgte, hatte er das Gefühl, dass es endgültig wieder zurückgehen sollte in die 60er Jahre. In eine Ära, in der im Jefferson County noch die Rassentrennung herrschte. Reeves erzählt von Alene, seiner Frau, die nicht auf die nächstgelegene Schule gehen durfte und stattdessen drei Kilometer weit zu einer Schule für Schwarze laufen musste. In die weißen Bildungseinrichtungen sei das Gros der Steuergelder geflossen, die schwarzen habe man links liegen lassen.

Seine Enkelin Kymiyah wird demnächst auf die High School wechseln, ihr will Reeves den Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten ersparen. Was würde sie wohl sagen, wenn ausgerechnet 50 Jahre nach dem Mord an Martin Luther King die Uhrzeiger zurückgedreht werden? "Hinter all diesen Floskeln stehen rassistische Stereotype. Vorurteile, das ist alles, was sie antreibt", sagt er über die Schulinitiative.

Ein Berufungsgericht in Atlanta, zuständig auch für den Bundesstaat Alabama, hat es genauso gesehen. Der Vorstoß widerspreche dem Verbot der Rassendiskriminierung, urteilte es im Februar. Im März erklärte der Bürgermeister von Gardendale, dass man den Richterspruch akzeptiere und nicht vor den Supreme Court in Washington ziehen werde: Man sei des Verfahrens müde. Den Steuerzahlern habe es gereicht, ihr sauer verdientes Geld für teure Anwälte draufgehen zu sehen, übersetzt es Ricky Reeves.

In North Smithfield, wo der Exsoldat lebt, ist der schwarze Mittelstand zu Hause. Es sind Leute wie Curtis Hammond, mit dem unsereiner ins Gespräch kommt, während er an einem Rasenmäher bastelt. Hammond war Ingenieur in einem Walzwerk, stolz erzählt er von Neuerungen, die auf seine Ideen zurückgingen. Wie es der Zufall will, stellt sich heraus, dass er einer der ersten Afroamerikaner war, die auf die High School von Gardendale gingen, vor 48 Jahren.

Von einer schwarzen Schule auf eine weiße zu wechseln, erinnert er sich, "das war, als hättest du unter einer Brücke geschlafen und würdest in eine Villa umziehen". Sein bester Freund sei ein Weißer gewesen, sie hätten bis heute Kontakt. Nur ändere das nichts an den alten Dämonen des Südens, schiebt er skeptisch hinterher. "Diese Ich-schaue-auf-dich-herab-Mentalität, sie ist noch lange nicht tot."

(RP)
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