Absturz von Flug MH17 In der Ukraine kursieren haarsträubende Gerüchte

Die Wahrheit ist im Krieg bekanntlich immer das erste Opfer. Zu beobachten ist das derzeit insbesondere im Streit über den Absturz der Boeing 777 der Malaysia Airlines. Im Osten der Ukraine erzählen sich die Menschen eigentümliche Theorien über den Absturz von Flug MH17. Kein unbekanntes Phänomen in dieser Gegend.

Vielleicht wird die Wahrheit über den Flug MH17 niemals ans Licht kommen. Zumindest von außen lässt sich irgendwann nicht mehr beurteilen, welchen Angaben man hundertprozentig vertrauen kann. Die Kollegen von zeit.de haben das eindrucksvoll aufgezeigt, indem sie den Mailverkehr eines deutschen Mitarbeiters mit einem Freund aus Russland dokumentierten. Beide bezichtigten sich gegenseitig, irrwitzigen Propagandameldungen aufgesessen zu sein.

Eine unabhängige Überprüfung der Spuren ist wohl nicht mehr möglich. Die Spuren am Unglücksort sind zertrampelt, Separatisten hinderten westliche Experten anfangs daran, den Unglücksort zu untersuchen. Journalisten kramten ungestört in Gepäckstücken herum, Aufnahmen zeigten, wie Separatisten und ukrainische Bergleute Trümmer beiseite räumten. Die Geschichten, die die Reste der Boeing 777 erzählen können, sind damit möglicherweise nicht mehr rekonstruierbar.

Vertuschungsaktion

Im Westen hat das Skepsis hervorgerufen. Warum lassen die Separatisten die Ermittler nicht an die Trümmer? Wollen sie damit etwas verbergen. In den Tagen seit dem Absturz verdichteten sich in den Ermittlungszentren der westlichen Hauptstädte mehr und mehr die Hinweise darauf, dass die Separatisten mit einer Rakete vom Himmel geholt hatten, allem Anschein nach unterstützt durch Spezialisten und Material des russischen Militärs.

In der Ostukraine sieht man das anders. Die Separatisten verweisen darauf, dass sie gar keine Waffensysteme besäßen, die ein Flugzeug in zehn Kilometern Höhe erreichen könnten. Seit Monaten dominiert dort die Berichterstattung russischer Medien die Wahrnehmung.

Malaysia Airlines: Bilder von den Aufräumarbeiten nach MH17-Absturz
23 Bilder

Helfer räumen Trümmerfeld nach MH17-Absturz auf

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So sind die neuen Machthaber in Kiew in den Augen der meisten Bewohner blutrünstige Faschisten, die nichts anderes als den den Genozid an der russischsprachigen Bevölkerung im Süden und Osten im Sinn hätten. Das ZDF berichtete am Montagabend von einer Schauergeschichte russischer Medien, nach denen Ukrainer ein Kind missbraucht und anschließend gekreuzigt hätten. Nichts davon habe sich bei weiteren Recherchen als haltbar erwiesen.

"Überraschung" aus Kiew

In dieses Muster fügen sich nun auch nahtlos Gerüchte über den Absturz am vergangenen Donnerstag ein. Wie etwa der Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ausführt, zeigen die Verschwörungstheoretiker vor allem auf eine Drohung des neuen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, der Anfang Juli im Zuge der neuen Militäroffensive eine "böse Überraschung" angekündigt hatte.

Demnach war Flug MH17 eine kunstvoll-monströse Aktion der ukrainischen Faschisten. Alle Passagiere sollen bereits tot gewesen sein. Quelle dieser Behauptung: Rebellenführer Igor Girkin, genannt Strelkow, russischer Offizier und seit kurzem selbsternannter Verteidigungsminister in der "Republik Donezk".

Leichen ohne Kleider

Indiz für diese schauerliche Theorie, das auch Bilder vom Unglücksort belegen: Mehrere Opfer im Feld um die Trümmer von MH17 hatten keiner Kleider mehr am Leib. Dem New York Magazine sagt ein Experte hingegen, das sei für einen Sturz aus 10.000 Metern Höhe keineswegs ungewöhnlich.

Widersprüchliche Aussagen gibt es mehr als genug in diesem Krieg. So wie die um die Videobilder, die angeblich zeigten, wie ein Raketenwerfersystem der Separatisten heimlich zurück nach Moskau gebracht wird. Militärexperten im russischen Staatsfernsehen wiesen den Film als Fälschung zurück. Die Aufnahmen seien in einem Gebiet bei Donezk gemacht worden, das seit Anfang Mai von Regierungstruppen kontrolliert werde. Das beweise das Werbeschild eines Autohauses in dem Clip.

Auch die am Montag von Moskau ins Spiel gebrachte Behauptung, ein ukrainischer Militärjet sei auf die Boeing zugeflogen, wirft Fragen auf. Bisher lässt sich die Aussage durch nichts bestätigen, sie kam wie aus dem Nichts. Moskau stellte fest, so ein Kampfjet sei mit Luft-Luft-Raketen bewaffnet, die auf diese Entfernung ein Ziel hundertprozentig zerstören könnten. Die Ukraine solle Auskunft über dieses Flugzeug geben.

Dazu passend wird in Russland die Theorie herumgereicht, Putin sei das eigentliche Ziel gewesen. Der russische Präsident befand sich an diesem Tag auf der Rückreise aus Lateinamerika. Im Sender Russia 24 soll mutmaßten Fachleute über Ähnlichkeiten zwischen dem Logo der Malaysian Airlines und der russischen Trikolore.

(pst)
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