Ernüchternde Bilanz im Irak Angriffe von US-Kampfjets wirkungslos

Washington/Bagdad · Während die USA weitere Luftangriffe gegen islamistische Terrormilizen im Nordirak geflogen haben, hat sich US-Präsident Barack Obama hinter den designierten Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi gestellt. Eine erste Bilanz der Angriffe von Kampfjets fällt ernüchternd aus.

 Das ist der designierte Ministerpräsident Haidar al-Abadi.

Das ist der designierte Ministerpräsident Haidar al-Abadi.

Foto: ap

Nach offiziellen Angaben der Streitkräfte vom Montag griffen Kampfjets vier Kontrollposten der Milizen Islamischer Staat (IS) sowie Fahrzeuge der Extremisten nahe des Sindschar-Gebirges an, wo Zehntausende Flüchtlinge verfolgter Minderheiten Zuflucht gefunden haben. Die US-Militärs sprachen von erfolgreichen Operationen. Unter den getroffenen Fahrzeugen seien auch Schützenpanzer, hieß es. Alle US-Jets seien sicher zurückgekehrt.

Zum fünften Mal versorgte das US-Militär die Flüchtlinge im Sindschar-Gebirge mit Lebensmittel und Wasser, wie das US-Zentralkommando in Tampa (US-Bundesstaat Florida) in der Nacht zum Dienstag mitteilte.

Nach mehrtägigen US-Luftschlägen zog das Verteidigungsministerium in Washington eine eher ernüchternde Bilanz: Die IS-Milizen seien noch nicht gestoppt, wohl nicht einmal ernsthaft geschwächt. Die Luftangriffe der USA haben nach Einschätzung des Pentagons den Vormarsch der islamistischen Milizen gebremst, aber bislang nicht aufhalten können. Man habe ihr "Tempo verlangsamt", sagte Generalleutnant William Mayville. Doch die IS-Kämpfer seien "weiter darauf aus, größere Gebiete zu gewinnen".

Der Sprecher fügte hinzu: "Ich kann nicht sagen, dass wir die Dynamik tatsächlich eingedämmt oder gebrochen hätten", sagte er am Montag in Washington mit Blick auf die sunnitische Miliz Islamischer Staat.

Washington stärkt die Kurden im Nordirak mit Waffenlieferungen für den Kampf gegen den Terrormiliz. Die Lieferungen seien bereits vergangene Woche begonnen worden, sagte die Sprecherin im US-Außenamt, Marie Harf, dem US-Sender CNN. Die USA schicken zudem Katastrophenhelfer, um Zehntausende Flüchtlinge mit Wasser, Lebensmitteln und Unterkünften zu versorgen.

Obama stellt sich hinter al-Abadi

Unterdessen stellte sich US-Präsident Back Obama im Machtkampf im Irak klar hinter den designierten Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi. Dessen Nominierung sei "ein hoffnungsvoller Schritt", sagte Obama am Montag. Amtsinhaber Nuri al-Maliki, der sich weigert, sein Amt abzugeben, erwähnte Obama dagegen mit keinem Wort. Er forderte alle politischen Fraktionen auf, die anstehenden Fragen friedlich zu lösen.

Jetzt komme es darauf an, rasch eine geeinte Regierung zu bilden, die alle Volksgruppen berücksichtige, sagte Obama von seinem Urlaubsort Martha's Vineyard an der Atlantikküste. Erneut betonte er, dass es im Irak keine militärische Lösung gebe. Ihm sei aber auch bewusst, dass es nicht leicht sei. "Ich bin sicher, dass noch schwierige Tage bevorstehen", sagte er mit Blick auf die politische Zukunft in Bagdad.

Dagegen weigert sich Al-Maliki, die Macht abzugeben. Die Entscheidung von Präsident Fuad Massum, Al-Abadi mit der Regierungsbildung zu beauftragen, sei Verfassungsbruch, sagte Al-Maliki laut der Nachrichtenseite Al-Sumeria in einer TV-Ansprache. Der einzige Kandidat für eine Regierungsbildung sei er selbst. Den USA warf er vor, bei der Rechtsbeugung mitzuwirken. Al-Malaki hatte am Sonntagabend Sicherheitskräfte an wichtigen Stellen in Bagdad positionieren lassen, um seinen Machtanspruch zu untermauern.

Staatschef Massum hatte am Montag den schiitischen Politiker Al-Abadi gegen den Willen Al-Malikis mit der Regierungsbildung beauftragt. Al-Maliki und Al-Abadi gehören derselben Partei an. Al-Maliki möchte selbst für eine weitere Amtsperiode wiedergewählt werden.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon begrüßte den Ansatz zur Kabinettsbildung, zeigte sich aber besorgt, dass die Regierungskrise und das Vorrücken der Islamisten den Irak noch weiter in die Krise stürzen könnten. Er rief alle Seiten auf, sich zurückzuhalten und die Verfassung zu respektieren. "Das irakische Volk verdient es, in einem sicheren, blühenden und stabilen Land zu leben - einem, dass alle Iraker, gleich welcher Religion und Volkszugehörigkeit, respektiert."

Iran bleibt neutral

Unterdessen bleibt der Iran in dem internen Machtkampf im Nachbarland Irak neutral. "Für den Iran ist es lediglich wichtig, dass der neue Mann von der Mehrheit des irakischen Parlaments unterstützt wird", sagte Präsident Hassan Ruhani am Montag nach Angaben des Webportals des Präsidialamts.

Die Lage im Irak sei beunruhigend, daher müsse das Land schnellstens eine rechtmäßige Regierung bilden, sagte Ruhani. Die Bekämpfung der Terrorgruppe islamischer Staat habe Priorität und müsse von allen Länder der Region unterstützt werden, sagte er dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan in einem Telefongespräch.

Iran hat Regierungschef Nuri al-Maliki in den letzten Jahren unterstützt. Aber anders als in Syrien mit Präsident Baschar al-Assad will Teheran an Al-Maliki nicht um jeden Preis festhalten und würde auch dessen Konkurrenten Haidar al-Abadi anerkennen.

Jesiden vorerst in Sicherheit

Rund 40.000 Iraker der Minderheit der Jesiden sind nach ihrer Massenflucht vor der Terrormiliz in das Sindschar-Gebirge wieder in Sicherheit, wie der Zentralrat der Jesiden in Deutschland mitteilte. Allerdings warteten in der Gebirgsregion westlich der Stadt Mossul noch etwa weitere 40.000 Angehörige der religiösen Minderheit auf Hilfe. Nach Angaben der UN waren allein in der vergangenen Woche rund 200.000 Menschen vor der Terrorgruppe geflohen.

Berlin will sich auch weiterhin auf humanitäre Hilfe beschränken. Waffenlieferungen - etwa an die Kurden im Nordirak - stünden derzeit nicht zur Debatte, sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Dagegen setzt sich Frankreich auf EU-Ebene für Waffenlieferungen an die nordirakischen Kurden ein. Der Präsident der kurdischen Autonomiegebiete, Masud Barsani, hatte die USA und weitere Verbündete um Waffenlieferungen gebeten.

Der Vormarsch der Miliz beschäftigt am Dienstag (10 Uhr) auch die EU-Botschafterkonferenz in Brüssel.

(dpa)
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