Der IS und die rekrutierten Kämpfer Irakischer General: "Die Europäer sind brutaler als die Araber"

Berlin/Ankara · Mehr als 30.000 Kämpfer soll die Terrormiliz IS im Irak und Syrien nach CIA-Informationen haben. Und immer mehr stammen auch aus europäischen Ländern. Wer aber sind diese Männer, die für den "Heiligen Krieg" ihre Heimat verlassen? Zwei Beispiele aus Deutschland und der Türkei.

So entstand der Name der Terrormiliz Islamischer Staat (IS)
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Foto: ap

400 Islamisten aus Deutschland sind nach Angaben des Bundesverfassungsschutzes seit 2012 nach Syrien gereist, um dschihadistische Gruppen zu unterstützen. Und manch einer von ihnen dürfte sich der Terrormiliz "Islamischer Staat" angeschlossen haben. Wie "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR zudem berichten, steigt nach Erkenntnissen der Bundesregierung die Zahl der aus Deutschland stammenden Selbstmordattentäter, die im Irak und Syrien Anschläge verüben.

Nach Informationen der drei Medien seien mindestens fünf Anschläge sicher Tätern aus Deutschland zuzuordnen, drei bis vier weitere würden noch untersucht. Fast alle Selbstmordaktionen seien in diesem Jahr im Irak verübt worden. Westliche Geheimdienste hätten festgestellt, dass der IS gezielt aus dem Ausland angeworbene Kämpfer für solche Abschläge einsetzt — aus propagandistischen Zwecken. "Die Anzahl der Europäer nimmt stetig zu, sie werden gezielt angeworben und sind brutaler als die Araber", wird der Sprecher der irakischen Streitkräfte, General Kassem Atta zitiert.

Ein 21-Jähriger aus Ennepetal

Einer von diesen Selbstmordattentätern soll laut NRW-Behörden "mit großer Wahrscheinlichkeit" ein 21-Jähriger aus Ennepetal gewesen sein, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Seine eigene Familie bezweifelt das. In Bagdad hatten die Behörden einen mutmaßlichen IS-Funktionär verhaftet. Der Mann gestand, im Juli diesen jungen Mann zu einem Anschlag im Süden Bagdads gefahren zu haben, bei dem 54 Menschen starben. Der festgenommene IS-Mann sagte zudem aus, dass er in einem Haus des IS in Falludscha drei weitere Deutsche getroffen habe, die noch auf ihren Einsatz warteten.

Seine Radikalisierung, so schreibt die Zeitung weiter, habe sich nicht über Jahre, sondern in relativ kurzer Zeit vollzogen. Er soll immer häufiger in der Salafistenszene von Wuppertal und Solingen aufgetaucht sein, ein Video zeige ihn bei einer "Lies!"-Veranstaltung, bei der junge Salafisten Korane verschenken. Im März dieses Jahres habe er dann zwei Bilder bei Facebook gepostet. Eines zeige ein Smartphone, Alkohol und Zigaretten und sei mit "2013" überschrieben gewesen. Das ander zeige einen betenden Muslim mit der Überschrift "2014". Dazu soll der 21-Jährige geschrieben haben: "Es ist nicht zu spät."

Anfang Juni soll er nach dem Bericht der Zeitung dann ausgereist sein — in die Türkei, um sich dem IS anzuschließen. Sein Vater sei ihm noch hinterhergereist, um ihn aufzuhalten. Sein Handy sei an der Grenze zu Syrien geortet worden, dann habe sich die Spur verloren. Am 19. Juli soll er es dann gewesen sein, der das Fahrzeug an einem Checkpoint in Bagdad in die Luft sprengte.

Ein 27-Jähriger aus Ankara

Ein anderer Mann, den der IS rekrutierte und der zurückgekehrt ist, stammt aus einem Armenvierteln von Ankara, der türkischen Hauptstadt. Can, wie ihn die "New York Times" nennt, ist 27 Jahre alt und war ein Junkie, als ihn die Terrormiliz anwarb. Er habe damals gedacht, dass er nicht viel zu verlieren habe. Gemeinsam mit zehn Jugendfreunden sei er dann illegal nach Syrien ausgereist.

Auch Arif Akbas, der das Oberhaupt im Armenviertel Hacibayram in Ankara ist, erzählt, wie die IS anfing, junge Männer von dort gezielt zu rekrutieren. "Es begann, als ein Fremder mit einem langen, ungepflegten Bart sich in der Nachbarschaft zeigte", sagte er der Zeitung. "Das nächste, was wir wissen, ist, dass alle Drogenopfer damit begannen, in die Moschee zu gehen."

Can selbst verbrachte 15 Tage in der IS-Hochburg Raqqa in einem Trainingscamp, um zum Kämpfer ausgebildet zu werden. Er sagte der Zeitung, er habe zwei Männer erschossen und an einer öffentlichen Hinrichtung teilgenommen. Als IS-Kämpfer sei er aber erst akzeptiert worden, nachdem er einen Mann bei lebendigem Leibe begraben hatte. "Wenn du dort kämpfst, bist du wie in Trance", zitiert ihn die "New York Times". "Jeder schreit: Gott ist der Größte." Und sie böten 150 Dollar pro Tag an, wenn man kämpfe.

Er sagt auch: "Der IS ist brutal. Sie interpretieren den Koran nach ihren Regeln. Gott befiehlt niemals Muslimen Muslime zu töten." Can kehrte nach drei Monaten zurück — mit gerade einmal zwei von zehn Freunden. Warum er sich schließlich abwandte, davon allerdings erzählte er der Zeitung nichts.

(das)
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