Reformer Ruhani gewinnt Präsidentschaftsrennen Iran wählt den Neuanfang

Teheran · Hassan Ruhani hat die Präsidentenwahl im Gottesstaat Iran überraschend deutlich für sich entschieden. Auf dem 64-Jährigen ruhen die Hoffnungen der seit 2009 unter die Knute gezwungenen Reformbewegung.

Reformer Ruhani gewinnt Präsidentschaftsrennen: Iran wählt den Neuanfang
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Unter den sechs Kandidaten für das iranische Präsidentenamt ist Hassan Ruhani der einzige muslimische Geistliche. Dennoch gilt der 64-Jährige als der politisch gemäßigtere und reformfreudigste unter den Bewerbern, die ansonsten den konservativen Hardlinern um den geistlichen Führer Ajatollah Ali Chamenei nahestehen. Im ersten Wahlgang erhielt Ruhani nach der Auszählung am Samstag mehr als 50 Prozent der Stimmen, eine Stichwahl ist damit nicht notwendig. Seine Wahl ist ein Akt der Gegenwehr der seit vier Jahren vom herrschenden Klerus brachial unterdrückten Demokratiebewegung.

Nähe zum ausgeschlossenen Rafsandschani

Die überraschende Popularität verdankt Ruhani zum Großteil seiner engen politischen Verbindung zum früheren Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani, der vom Wächterrat, einem Aufsichtsgremium von Rechtsgelehrten, als Kandidat von der Wahl ausgeschlossen wurde.

Der Iranexperte Rasool Nafisi von der Strayer University im US-Staat Virginia sagt, Rafsandschani sei der letzte verbliebene Hoffnungsträger der entmutigten Reformbewegung. "Ruhani bekommt nun ihre Unterstützung, weil er als Rafsandschanis Mann gilt. Die Stimmen für Ruhani waren Stimmen für Rafsandschani", lautet seine Analyse.
Viele Reformer hoffen insgeheim, dass Ruhani als Präsident sich hinter den Kulissen eng mit seinem Mentor Rafsandschani abstimmen würde.

Ruhani war bis 2005 Chefunterhändler des Irans für das international umstrittene Atomprogramm. Mit dem neu gewählten Präsidenten Muhmud Ahmadineschad zerstritt er sich aber bald. Ruhani wollte nach eigenen Worten dessen kompromisslosen und konfrontativen Kurs gerade in der Atomfrage nicht mittragen. Seine Botschaft im Wahlkampf lautete vielmehr: Der Iran könne sein Nuklearprogramm sehr wohl weiterführen, aber zugleich auch das tiefe Zerwürfnis mit den USA und der westlichen Staatengemeinschaft kitten.

Die USA und die Staatengemeinschaft verdächtigen den Gottesstaat seit 2002, heimlich Atomwaffen bauen zu wollen. Sämtliche iranische Spitzenpolitiker - Ruhani eingeschlossen - bestreiten das aber vehement und pochen auf das Recht des Irans zur friedlichen Nutzung der Kernenergie.

Zurzeit kommen die 2012 neu gestarteten Verhandlungen über internationale Kontrollen und mehr Transparenz aber kein Stück voran.
Die USA und auch die EU haben daher ihre Sanktionen nochmals verschärft - worunter Bürger und die Wirtschaft schwer ächzen.

"Aussöhnen mit der Welt"

Auf seinen Wahlkampfveranstaltungen hat Ruhani daher für ein "konstruktives Zusammenspiel mit der Welt" geworben. Es gelte, Bedenken hinsichtlich des Atomprogramms zu zerstreuen und die Sanktionen abzuschütteln. "Wir würden die vergangenen acht Jahre nicht so weiterlaufen lassen", sagte er mit Blick auf die Amtszeit seines Vorgängers, der laut Verfassung nicht erneut kandidieren durfte. "Sie haben uns Sanktionen gebracht - und darauf war die Regierung noch stolz. Ich verfolge hingegen eine Politik der Verständigung und des Friedens. Wir werden uns mit der Welt aussöhnen", verspricht Ruhani.

Der heute 64-Jährige hat sich schon als Jugendlicher religiösen Studien gewidmet. Bald schloss er sich der Opposition gegen die Regierung des Schah an, der vom Westen gestützt wurde. Mit radikalen Reden erregte Ruhani die Aufmerksamkeit von Ajatollah Ruhollah Chomeini, dem späteren Führer der islamischen Revolution im Jahr 1979. An der Universität Teheran schloss Ruhani 1972 auch ein rechtswissenschaftliches Studium ab. Im Jahr darauf belegte er nach Angaben auf seiner Homepage einen Masterstudiengang in Jura an der Caledonian-Universität von Glasgow.

Zurück im Iran, musste er wegen einer drohenden Verhaftung bald fliehen. Im französischen Exil traf er Chomeini wieder - und Rafsandschani, der ebenfalls zum inneren Zirkel der Islamisten gehörte.

Nach der Revolution machte Ruhani schnell Karriere - zuerst beim Militär, dann im Parlament und zwischenzeitlich auch als Aufseher über den linientreuen Staatsrundfunk. Während Rafsandschanis Amtszeit war Ruhani von 1989 bis 1997 dessen Chefberater in Sicherheitsfragen.
Den Posten behielt er auch unter dessen Nachfolger Chatami und wurde zudem noch der erste Chefunterhändler des Landes in der heiklen Atomfrage.

Mit den im Sommer 2009 nach der umstrittenen Präsidentenwahl ausgebrochenen Massenprotesten solidarisiert sich Ruhani auch jetzt nicht offen. Doch gilt er vielen als Unterstützer der "Grünen Bewegung", die der herrschende Klerus niederschlagen ließ. Nach seiner Abschlusskundgebung skandierten die Zuhörer spontan: "Lang leben die Reformen!"

(AFP/dpa/jco)
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