Irak IS tötet Zivilisten, die nicht kämpfen wollen

Bagdad · Der Islamische Staat (IS) tötet nach UN-Angaben in der westirakischen Stadt Falludscha immer mehr Zivilisten, die nicht für sie kämpfen wollen. Hilfsorganisationen hatten bereits am Donnerstag vor einer humanitären Katastrophe gewarnt.

 Die Region um Falludscha ist seit Wochen schwer umkämpft. Die Aufnahme zeigt Kräfte der irakischen Regierung.

Die Region um Falludscha ist seit Wochen schwer umkämpft. Die Aufnahme zeigt Kräfte der irakischen Regierung.

Foto: afp, AHR

Es gebe Berichte über einen "dramatischen Anstieg" von Opfern unter Männern und männlichen Jugendlichen, meldete die Hilfsorganisation UNHCR am Freitag. Viele Einwohner seien zudem bei Kämpfen um die Stadt unter den Trümmern ihrer Häuser begraben worden. Genaue Zahlen nannte der UNHCR nicht.

Die Armee und Milizen hatten Anfang der Woche mit Unterstützung von US-Luftangriffen eine Offensive begonnen, um die sunnitischen Extremisten aus der Stadt rund 70 Kilometer westlich von Bagdad zu vertreiben. Falludscha ist nach der nordirakischen Stadt Mossul die wichtigste IS-Hochburg im Krisenland Irak. Die Extremisten kontrollieren die Stadt seit Januar 2014.

Flucht nur unter großem Risiko möglich

Hilfsorganisationen hatten bereits am Donnerstag vor einer humanitären Katastrophe in Falludscha gewarnt. Rund 50 000 Zivilisten seien eingeschlossen und befänden sich in einer "extremen Notlage", sagte die lokale Sprecherin des Norwegischen Flüchtlingsrates (NRC), Becky Bakr Abdullah. Es gebe Berichte über großen Hunger.

Die Kämpfe gingen auch am Freitag weiter. "Wir sind äußerst besorgt, dass die Menschen unter Feuer geraten könnten", sagte Bakr Abdullah.
Ein Flüchtling berichtete nach Angaben des NRC, er und seine Familie hätten zuletzt vor vier Monaten Reis gegessen und sich ansonsten von getrockneten Datteln ernährt. Andere Familien hätten gar nichts zu essen. Viele Einwohner tränken Wasser aus dem Euphrat, erklärte der NRC. Seit September seien keine Hilfstransporte mehr in die Stadt gekommen. Nach UNHCR-Angaben starben bereits zwei Menschen an Hunger.

Umstrittene Militärkampagne

Demnach konnten in den vergangenen Tagen mehr als 800 Menschen aus Falludscha entkommen. Sie hätten erschütternde Geschichten erzählt, erklärte Leila Jane Nassif vom UNHCR. Eine Flucht sei nur unter größtem Risiko möglich. Die Menschen müssten nachts über Stunden zu Fuß laufen, ehe sie in Sicherheit seien.

Regierungstreue Kräfte stießen nach Angaben von Ministerpräsident Haidar al-Abadi weiter auf Falludscha vor. Die Region um den Ort Al-Karma nördlich der Stadt sei befreit worden, teilte Al-Abadi mit.

Die Militärkampagne ist umstritten, weil an der Offensive auch schiitische Milizen beteiligt sind - Falludscha und die dazugehörige Provinz Al-Anbar sind jedoch eine sunnitische Hochburg. Die Spannungen zwischen den beiden großen muslimischen Konfessionen sind im Irak seit langem groß, weil sich die Minderheit der Sunniten von der Mehrheit der Schiiten diskriminiert fühlt. Davon profitiert die sunnitische IS-Terrormiliz, die sich den Unmut zunutze macht.

(dpa)
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