Islamischer Staat USA blamieren sich in Syrien

Ankara · Washington und Ankara sind Verbündete gegen islamistische Milizen, verfolgen aber unterschiedliche Interessen. Ein peinlicher Rückschlag strapaziert die Allianz weiter.

 Für Amerika ein Partner, für die Türkei ein Feind:syrisch-kurdische Rebellen der Miliz YPG.

Für Amerika ein Partner, für die Türkei ein Feind:syrisch-kurdische Rebellen der Miliz YPG.

Foto: dpa

Eine schlagkräftige Truppe sollten sie werden - sorgfältig ausgewählte syrische Kämpfer, die von den USA und der Türkei ausgebildet und als "gemäßigte Rebellen" unter dem Namen "Division 30" zum Kampf gegen die IS-Terrormiliz nach Syrien geschickt worden waren. Doch schon der erste Einsatz ging gründlich daneben: Ein Teil der mehr als 50 Kämpfer wurde zusammen mit seinem Kommandeur von der zu Al Kaida gehörenden Al-Nusra-Front gefangen genommen. Andere brachten sich ausgerechnet bei der syrischen Kurdenpartei PYD in Sicherheit, die von der Türkei als Ableger der Arbeiterpartei PKK misstrauisch beäugt wird.

Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete, US-Kampfdrohnen hätten nach den Gefangennahmen die Stellungen der Nusra-Front in Nordsyrien angegriffen. Doch die Islamisten zeigten sich unbeeindruckt und kosteten den Erfolg gegen den Westen genüsslich aus. Sie ließen gefangene Mitglieder der neuen Rebellentruppe vor der Kamera paradieren.

Die USA und die Türkei hatten im Februar ein Abkommen über die Ausbildung moderater syrischer Rebellen unterzeichnet. Die USA wollen jährlich rund 5000 oppositionelle syrische Kämpfer ausbilden. Anfang Juli hatte dann US-Verteidigungsminister Ashton Carter mitgeteilt, bisher hätten erst 60 Kämpfer das Training durchlaufen.

Der missglückte erste Einsatz der "Division 30" ist peinlich für die USA und die Türkei. Denn sie erhofften sich eine Veränderung der Machtverhätnisse unter den syrischen Rebellen, bei denen islamische Extremisten bisher eine führende Rolle spielen. Die vom Westen unterstützte "Freie Syrische Armee" (FSA) ist wegen interner Streitigkeiten so weit ins Hintertreffen geraten, dass ein türkischer Regierungsvertreter jetzt auf die Frage von Journalisten, ob die FSA überhaupt noch existiere, mit einem Schulterzucken antwortete: "Ich weiß es nicht", sagte er.

Auch in anderen Bereichen der türkisch-amerikanischen Zusammenarbeit in Syrien knirscht es vernehmlich. So streiten sich Ankara und Washington darüber, ob US-Jets von türkischen Stützpunkten aus mit Luftangriffen den syrischen Kurden gegen den IS helfen dürfen. Erst nach zähen Verhandlungen hatte die Türkei den USA kürzlich die Nutzung des Luftwaffenstützpunktes Incirlik erlaubt. Angriffe zur Unterstützung der syrischen Kurden gehörten aber nicht zur Absprache über die Öffnung der türkischen Stützpunkte, heißt es in türkischen Regierungskreisen. Dagegen erklärte das US-Außenministerium, die syrischen Kurden würden auch nach Beginn der Einsätze der amerikanischen Jets von türkischen Militärflugplätzen aus unterstützt.

Die syrisch-kurdische PYD und deren Miliz YPG hatten in den vergangenen Monaten bedeutende militärische Erfolge gegen den IS erzielt. Für die USA sind die syrischen Kurden deshalb wichtiger Partner - während die Türkei befürchtet, die PYD wolle die Gunst der Stunde nutzen und in Nord-Syrien einen Kurdenstaat gründen.

Um die PYD aufzuhalten, plant die Türkei eine Sicherheitszone im Norden Syriens. Nach Presseberichten ist dafür ein etwa 80 Kilometer langer und 30 Kilometer breiter Streifen im Gespräch. Alle IS-Verbände sollen nach den Worten von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu aus dem Streifen vertrieben werden; anschließend sollen westliche Kampfflugzeuge das Gebiet aus der Luft überwachen, während FSA-Einheiten den Boden kontrollieren. Außenminister Mevlut Cavusoglu kündigte gestern eine "umfangreiche Schlacht" gegen den IS an, die von türkischen Luftwaffenstützpunkten ausgehen werde. Weder Amerikaner noch Türken wollen selbst Bodentruppen nach Syrien schicken.

Offiziell will die Türkei mit der Zone eine Zuflucht für syrische Flüchtlinge schaffen. Inoffiziell lautet das Ziel, eine Vereinigung kurdischer Siedlungsgebiete in Nord-Syrien zu einem homogenen Gebilde zu verhindern. Doch derzeit erscheint der Plan mehr als Wunschdenken der Türken denn als konkretes Projekt. Der syrische Verbündete Russland kritisierte die Pläne für die türkisch-amerikanische Luftüberwachung in Nord-Syrien, während die USA betonen, es gebe keine Vorbereitungen für eine Schutzzone.

(RP)
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