UN-Sicherheitsrat fordert sofortiges Ende der Kämpfe Israel droht mit Einmarsch im Gaza-Streifen

Gaza/Damaskus (RPO). Die Lunte am Pulverfass Nahost brennt: Hamas-Chef Chaled Maschaal hat die Palästinenser zu einer neuen Intifada gegen Israel aufgerufen. Unterdessen wurde der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak am Sonntag von einem Sprecher seines Ministeriums in Jerusalem zitiert: "Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet. Wenn es notwendig ist, Truppen aufmarschieren zu lassen, um unsere Bürger zu schützen, werden wir das tun".

Krieg im Gaza-Streifen - Tag Zwei
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Unterdessen hat der UN-Sicherheitsrat hat ein sofortiges Ende der Kämpfe im Gazastreifen gefordert. In einer am Sonntag in New York veröffentlichten Stellungnahme forderte das Gremium die Hamas sowie Israel zudem auf, etwas gegen die humanitäre Krise im Gazastreifen zu unternehmen. Die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrats waren auf Antrag Libyens zusammengetreten und hatten über einen Entwurf Russlands für eine nicht verbindliche Erklärung beraten.

Der UN-Sicherheitsrat war am Samstag zu einer Dringlichkeitssitzung zum Nahost-Konflikt zusammen getreten. Auf Antrag Libyens berieten die 15 Mitglieder des Gremiums in New York hinter verschlossenen Türen. "Unser Hauptziel ist eine sofortige Waffenruhe", hatte Libyens stellvertretender UN-Botschafter Ibrahim Dabbaschi gesagt. Der Sicherheitsrat solle einen nicht bindenden Aufruf zur Einstellung aller Kämpfe im Nahen Osten formulieren.

Der palästinensische Beobachter bei den Vereinten Nationen, Riad Mansur, erklärte, es gebe "keine Rechtfertigung für das Abschlachten hunderter palästinensischer Zivilisten". Die israelische UN-Botschafterin, Gabriela Schalev, schrieb in einem Brief an den derzeitigen Vorsitzenden des UN-Sicherheitsrats, den kroatischen Botschafter Neven Jurica, die Luftangriffe seien ein Akt der Selbstverteidigung. "Kein Land würde es zulassen, dass seine Zivilbevölkerung fortgesetzt mit Raketen beschossen wird, ohne die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, dies zu stoppen", betonte Schalev.

Weltweit gab es in der gesamten muslimischen Gemeinde Proteste gegen das militärische Vorgehen im Gaza-Streifen, das 270 Menschenleben forderte. Die EU forderte einen sofortigen Waffenstillstand.

Aufruf zur Intifada

Der im Exil lebende Chef der radikalislamischen Hamas, Chaled Maschaal, hat dagegen die Palästinenser am Samstag zu einer neuen Intifada gegen Israel aufgerufen. "Wir rufen zu einer militärischen Intifada gegen unseren Feind auf", sagte Maschaal in einem Interview mit dem Fernsehsender El Dschasira. "Der Widerstand wird sich mit Selbstmordaktionen fortsetzen", fügte Maschaal hinzu, der in der syrischen Hauptstadt Damaskus lebt.

Hamas-Sprecher Fausi Barhum sagte im Rundfunk, seine Organisation werde Vergeltung mit Selbstmordanschlägen, Raketen- und Mörserangriffen üben: "Die Hamas wird den Widerstand bis zum letzten Blutstropfen fortsetzen." Militante Palästinenser feuerten der Hamas zufolge nach den Luftangriffen 50 Raketen auf Südisrael ab.

Schwerster Angriff seit Jahren

Bei dem schwersten Angriff seit Jahren hatte die israelische Luftwaffe am Samstag und in der Nacht zum Sonntag Einrichtungen der Hamas im Gazastreifen zerstört und dabei 270 Menschen getötet. Rund 700 weitere wurden nach palästinensischen Angaben verletzt, rund 140 von ihnen schwer. Ungeachtet internationaler Appelle zu einem Ende der Gewalt drohte der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak mit einer Ausweitung der Offensive. Israel reagierte damit auf den ständigen Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen auf israelische Gemeinden in Grenznähe.

Die israelische Militärführung teilte mit, bis zum späten Nachmittag seien über 100 Tonnen Bomben über dem Gazastreifen abgeworfen worden. Laut Hamas wurden alle ihre Sicherheitseinrichtungen getroffen. Der Polizeichef von Gaza, Taufik Dschaber, war unter den Getöteten. Nach Angaben der radikalislamischen Organisation handelt es sich bei den mindestens 270 Toten zumeist um Mitglieder der eigenen Sicherheitskräfte. Es sollen aber auch Zivilpersonen unter den Opfern sein.

Ärzte im größten Krankenhaus in Gaza sagten, sie könnten keine Verletzten mehr behandeln. "Wir haben keinen Platz mehr", erklärte ein Mediziner im Schifa-Krankenhaus. Die Luftangriffe begannen gegen Mittag und lösten in der Bevölkerung Panik aus. Einrichtungen der Hamas befinden sich oft mitten in Wohngebieten. Die ersten Raketen schlugen kurz nach Schulschluss ein, als Schüler auf dem Heimweg waren.

Im Grenzdorf Netivot wurden nach israelischen Angaben eine Frau getötet und mindestens sechs weitere Menschen verletzt. Die israelische Regierung verhängte in der Grenzregion den Ausnahmezustand und forderte die Bewohner auf, Schutzeinrichtungen aufzusuchen.

Proteste gegen Israels Vorgehen

Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana hat die israelischen Luftangriffe kritisiert. Diese hätten eine "inakzeptable Verlustziffer unter der palästinensischen Zivilbevölkerung" zur Folge gehabt, sagte er am Samstag. Zugleich erschwerten die Angriffe die Suche nach Frieden. Israel müsse die Grenzen wieder öffnen. Solana forderte einen "sofortigen Waffenstillstand" im Gazastreifen. Der französische Staatschef und EU-Ratsvorsitzende Nicolas Sarkozy verlangte ein unverzügliches Ende der Raketenangriffe auf Israel sowie der israelischen Bombardements.

In Ägypten, Jordanien, Syrien, Pakistan und dem Libanon kam es am Samstag zu Protestkundgebungen. Allein in Istanbul demonstrierten nach Polizeiangaben 3.500 Menschen. Der ägyptische Präsident Husni Mubarak erklärte, seine Regierung wolle sich trotz der jüngsten Gewalt um eine neue Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen bemühen.

Bundesregierung appelliert an Israel und Hamas

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zeigte sich über die Lage im Nahen Osten "sehr besorgt". Der "Bild am Sonntag" sagte er: "Der Gazastreifen droht erneut in einer Spirale der Gewalt zu versinken." Das Vorgehen der Hamas verurteilte der Außenminister scharf. Er appellierte aber auch an die israelische Seite, bei den Militäraktionen das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu respektieren.

Steinmeier forderte die Hamas auf, den "unerträglichen Raketenbeschuss auf Israel sofort und dauerhaft" einzustellen. Für die einseitige Aufkündigung der Waffenruhe mit Israel fehle der Bundesregierung jedes Verständnis.

USA sehen Hamas in der Schuld

Die USA machen die Hamas für die Eskalation der Gewalt verantwortlich. Die Hamas habe den Waffenstillstand mit Israel aufgekündigt und sei deshalb verantwortlich für die tödliche Gewalt im Gazastreifen, erklärte US-Außenministerin Condoleezza Rice am Samstag in Washington. "Die Vereinigten Staaten verurteilen die wiederholten Raketen- und Mörserangriffe gegen Israel auf das Schärfste und machen Hamas verantwortlich für das Ende der Waffenruhe und die erneute Gewalt in Gaza", hieß es in der Erklärung. Die Waffenruhe, die die Hamas vergangene Woche nach sechs Monaten einseitig für beendet erklärt hatte, müsse "umgehend wiederhergestellt werden", forderte Rice.

(AP)
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