Anschlag in Istanbul Attentäter war offenbar als Flüchtling in der Türkei registriert

Istanbul · Der Terroranschlag von Istanbul richtete sich nach Einschätzung der Bundesregierung nicht gezielt gegen Deutsche. Die zehn Opfer des Selbstmordattentäters waren alle Deutsche. Die Bundeswehr ist bereit, Tote und Verletzte zurück nach Deutschland zu holen.

Istanbul: Attentäter war offenbar als Flüchtling in der Türkei registriert
Foto: dpa, sdt lb

Der Selbstmordattentäter von Istanbul ist vor seinem Terroranschlag auf eine deutsche Reisegruppe als Flüchtling in die Türkei eingereist. Der Syrer sei nicht als Terrorverdächtiger unter Beobachtung gewesen, sagte der Regierungschef Ahmet Davutoglu am Mittwoch. Bei dem Anschlag wurden zehn Deutsche getötet. "Nach bisherigem Ermittlungsstand liegen keine Hinweise darauf vor, dass der Anschlag gezielt gegen Deutsche gerichtet war", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Istanbul. In der kommenden Woche soll in Berlin bei deutsch-türkischen Regierungskonsultationen über die Lage beraten werden.

Noch sieben weitere Bundesbürger seien in Krankenhäusern in Istanbul, fünf von ihnen auf der Intensivstation, teilte das Auswärtige Amt mit. Außerdem gebe es drei Leichtverletzte. Zunächst war von acht getöteten deutschen Touristen die Rede. Der türkische Innenminister Efkan Ala sagte, insgesamt würden elf Verletzte noch in Krankenhäusern behandelt, darunter auch ein Norweger und ein Peruaner.

Davutoglu sagte am Mittwoch zu den Todesopfern des Anschlags:
"Gestern haben wir zehn unserer ausländischen Gäste verloren." Zwei getötete Touristen kamen aus Mainz, einer aus Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz, zwei aus Falkensee/Brandenburg, jeweils einer aus Berlin und Leipzig, zwei aus Dresden und einer aus Hessen.

Die Zahl der im Zuge der Ermittlungen zum Anschlag Festgenommenen erhöhte sich nach Regierungsangaben auf fünf. Am Mittwoch sei es zu vier weiteren Festnahmen gekommen, sagte Davutoglu. Nach Angaben von Ala war ein erster Verdächtiger bereits am Dienstagabend festgenommen worden.

Die Nachrichtenagentur DHA meldete unter Berufung auf die Polizei, bei seiner Registrierung als Flüchtling seien dem Attentäter namens Nabil Fadli am 5. Januar in Istanbul Fingerabdrücke abgenommen worden. Diese hätten nun dabei geholfen, den 27-Jährigen als Attentäter zu identifizieren. Fadli sei bei der Registrierung von vier Menschen begleitet worden. Unklar blieb, ob es sich bei diesen vier Gesuchten um die Festgenommenen vom Mittwoch handelte, von denen Davutoglu sprach.

Die türkische Regierung hat die Terrormiliz Islamischer Staat (IS)
für die Tat verantwortlich gemacht, die sich bislang nicht dazu bekannt hat. Der Attentäter hatte sich am Dienstag inmitten einer deutschen Reisegruppe in die Luft gesprengt.

Über das Wann und Wie einer Rückführung der Toten und Verletzten nach Deutschland ist noch nicht entschieden. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums ist die Bundeswehr dazu "bereit und in der Lage". Die betroffene Reisegruppe des Berliner Veranstalters Lebenslust Touristik wurde von Seelsorgern betreut. Die Gruppe mit 33 Mitgliedern kommt aus dem gesamten Bundesgebiet.

Das Unternehmen organisiere derzeit die Rückkehr nach Deutschland für diejenigen, die den Urlaub nicht fortsetzen wollten. Es gebe das Angebot, zurückzufliegen, sagte ein Sprecher. Offen blieb, in welchen Städten die Reisenden erwartet werden.

De Maizière betonte trotz des Anschlags: "Ich sehe keinen Grund, von Reisen in die Türkei abzusehen." Man dürfe dem Terror nicht nachgeben. "Wir wollen unser Verhalten, unser Leben nicht verändern. Wir werden vor dem Terrorismus nicht zurückweichen."

Er kündigte an, Deutschland und die Türkei wollten ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen Terrorismus verstärken. "In der nächsten Woche wird nicht nur mein türkischer Kollege nach Berlin kommen, sondern die Spitze der Regierung zu deutsch-türkischen Regierungskonsultationen", sagte er.

"Der Anschlag galt Deutschland und der Türkei", erklärte der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek. "Lassen wir nicht zu, dass die Saat des Hasses und der Niederträchtigkeit zwischen unsere Völker gerät."

Der Bundesinnenminister und der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu besuchten am Mittwoch Verletzte. Anschließend fuhren beide zum Anschlagsort in der Nähe der Blauen Moschee im Altstadtviertel Sultanahmet. Dort legten der Minister und der Regierungschef rote Nelken nieder, die in der Türkei Ausdruck der Trauer sind.

Die arabische Tageszeitung "Al-Hayat" zitierte am Mittwoch einen Sprecher des saudischen Innenministeriums, wonach der Attentäter in Saudi-Arabien geboren wurde. Er habe aber die syrische Staatsbürgerschaft gehabt und Saudi-Arabien bereits 1996 im Alter von acht Jahren mit seiner Familie verlassen.

(felt/dpa/ap)
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