Journalistin in türkischer Haft Prozess gegen inhaftierte Deutsche Mesale Tolu beginnt

Istanbul · Mesale Tolu, Deniz Yücel, Peter Steudtner - diese drei Fälle stehen beispielhaft für jene Deutschen, die in der Türkei inhaftiert sind. Mesale Tolu wird nun als erste von ihnen vor Gericht gestellt. Ihre Anwältin glaubt nicht an ein faires Verfahren.

Die Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu wurde im April in der Türkei festgenommen.

Die Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu wurde im April in der Türkei festgenommen.

Foto: dpa, puc vge bwe

Mehr als fünf Monate nach ihrer Festnahme beginnt an diesem Mittwoch der Prozess gegen die in der Türkei inhaftierte deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu. Die 33-Jährige gehört zu einer Gruppe von 18 Angeklagten, denen Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen wird.

Nach Angaben von Tolus Anwältin Kader Tonc drohen ihrer Mandantin in dem Verfahren vor dem Gericht in Silivri westlich von Istanbul bis zu 20 Jahre Haft. Die Bundesregierung fordert die Freilassung Tolus und von mindestens zehn weiteren Deutschen, die in der Türkei derzeit aus politischen Gründen inhaftiert sind.

Namentlich bekannt von diesen mindestens elf Bundesbürgern sind Tolu, der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel und der Menschenrechtler Peter Steudtner. Tolu-Anwältin Tonc sagte der Zeitung "Neues Deutschland" (Mittwoch) kurz vor Prozessbeginn, sie glaube nicht an ein faires Verfahren. "Man möchte sich an der politischen Opposition und der Presse mit den zu fällenden Urteilen rächen." Schon die Inhaftierung Tolus sei "aus politischen Gründen" erfolgt.

Die Vize-Vorsitzende der Linke-Fraktion im Bundestag, Heike Hänsel, kündigte an, an dem Prozess gegen Tolu als Beobachterin teilzunehmen. "Mesale Tolu - genauso wie Deniz Yücel, Peter Steudtner sowie zahlreiche weitere willkürlich Verhaftete - ist nichts anderes als eine Geisel von Präsident Recep Tayyip Erdogan", sagte Hänsel. "Deshalb ist kein rechtsstaatliches Verfahren zu erwarten."

Tolus Vater Ali Riza Tolu sagte der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul am Dienstag: "Ich werde morgen mit der Hoffnung zum Gericht gehen, dass meine Tochter aus dem Gefängnis entlassen wird." Der 58-Jährige fügte hinzu: "Ein unabhängiges Gericht wird meine Tochter freisprechen und sagen, dass es sich um einen Irrtum gehandelt hat." Tolu besitzt nur die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie wurde in Ulm geboren und hat ihren Hauptwohnsitz in Neu-Ulm.

Tolu arbeitete als Journalistin und Übersetzerin für die linke Nachrichtenagentur Etha. Deren Internetseite ist in der Türkei zwar gesperrt. Etha ist bislang aber - anders als zahlreiche andere regierungskritische Medien in der Türkei - nicht verboten worden. Tolu war am 30. April festgenommen worden, als Polizisten einer Anti-Terror-Einheit ihre Wohnung stürmten. Ihr Ehemann Suat Corlu war bereits zuvor ebenfalls unter Terrorverdacht inhaftiert worden. Er gehört nicht zu den 18 Angeklagten dieses Prozesses. Mesale Tolu hat ihren zweijährigen Sohn bei sich im Frauengefängnis im Istanbuler Stadtteil Bakirköy.

In der Anklageschrift - die der dpa in Teilen vorliegt - wird Tolu die Teilnahme an vier Veranstaltungen vorgeworfen, bei einer davon soll sie ein Banner einer MLKP-Splittergruppe getragen haben. In ihrer Wohnung soll außerdem Propagandamaterial gefunden worden sein.

Der türkische Journalist Can Dündar bezeichnete Tolu gegenüber der "Bild" (Mittwoch) als "Geisel" von Präsident Erdogan. "Wahrscheinlich, um Stärke zu demonstrieren, oder aber, um sie für einen möglichen Austausch einzusetzen", sagte er. Tolu und die anderen Journalisten und Menschenrechtler seien nur ihrer Arbeit nachgegangen.

(mro)
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