Italien Rom ertrinkt in Müllbergen - mal wieder

Rom · Aus der "ewigen" ist die "ewig stinkende" Stadt geworden: Rom versinkt zum wiederholten Mal in einer Müllkrise. Und die neue Bürgermeisterin hat ihre Versprechen bisher nicht halten können.

 Auf Roms Straßen liegen große Mengen an Müll.

Auf Roms Straßen liegen große Mengen an Müll.

Foto: dpa, skm fpt

Die Sonne brennt vom Himmel, und es stinkt zum Himmel. Die meisten Römer sind aus der Stadt geflüchtet, nur Touristen schleppen sich durch die Hitze. Vorbei an Müllhaufen, die sich an jeder Ecke türmen. Ein Festmahl für Ratten, Mäuse und Möwen. Egal, in welches Viertel in Rom man geht: Beim Müll gibt es kaum eine Trennung zwischen arm und reich, zwischen Zentrum und Peripherie. Zwischen 200 und 300 Tonnen Abfall liegen jeden Tag auf der Straßen herum, kalkulierte Ende Juli die städtische Müllentsorgungsgesellschaft Ama. Für Roms neue Bürgermeisterin Virginia Raggi ist es die erste Probe, ob sie der Stadt wie versprochen ihren Glanz wiedergeben kann.

Es ist nicht so, dass die Müllabfuhr nicht kommen würde. Im Gegenteil. Sogar mehrmals pro Tag fahren die Wagen durch die Straßen mancher Viertel. Aber die Entsorgungsanlagen der Stadt sind alt und - wenn überhaupt - schlecht geführt. Sie verarbeiten nur etwa die Hälfte des Mülls, den sie eigentlich entsorgen sollten.

"Es ist ein Kulturproblem in ganz Italien"

Die Angewohnheit, den Müll einfach auf die Straße zu werfen, tut ihr übriges dazu. "Es ist ein Kulturproblem in ganz Italien. Die Leute schmeißen ihren Müll auf die Straße und schimpfen später auf die Politiker", sagt Silvi Norcia, die im Touristenviertel Trastevere auf einem Kinderspielplatz sitzt. "Jugendliche lassen ihre Bierflaschen liegen. Neben den Brunnen, wo die Kinder spielen, pinkeln Obdachlose hin. Und Touristen denken sich: Sie machen es den Römern nach." Ein Müllmann, der hinter ihrem Rücken die Straße kehrt, wirft ein: "Alle schreiben, die Müllabfuhr sei schuld. Aber niemand kehrt vor seiner eigenen Tür. Wir machen hier jeden Tag sauber."

Nun sind Müllkrisen nichts Neues in Italien, vor allem im Süden wie zum Beispiel in Neapel. "In Rom spielen viele Faktoren mit hinein", erklärt Professor Alessandro Marangoni, der das Müllmanagement in Italien untersucht. "Es ist ein bisschen lächerlich, die heutige Regierung für Probleme verantwortlich zu machen, die viel älter sind." Ineffizienz und jahrelange Vetternwirtschaft bei den Entsorgergesellschaften und teils mafiöse Strukturen gehören zu den Hauptproblemen.

Das Projekt "saubere Stadt"

Bürgermeisterin Raggi trat im Juni an und hatte den entnervten Einwohnern versprochen, als erstes das Müllproblem zu lösen. Seitdem sind schon mehrere Fristen verstrichen, zu denen die Stadt wieder sauber sein sollte.

Zwar marschierte die Politikerin der Protestpartei Fünf-Sterne-Bewegung vor wenigen Wochen publikumswirksam ins Viertel Tor Bella Monaca, wo Kinder Dutzende Ratten vor einem Müllhaufen gezählt und das Video im Netz gepostet hatten. Und sie verkündete härtere Strafen für Müllsünder. Auch an den Tiber schickte sie ein Müllkommando, das das Flussufer vom Dreck befreien sollte. Aber im Kern ist das Problem alles andere als gelöst.

Im Gegenteil: Raggi bewies wenig politisches Geschick, als sie eine Parteikollegin zur Umwelt-Beauftragten ernannte. Das Pikante: Paola Muraro war zuvor zwölf Jahre Beraterin der Müllentsorgungsgesellschaft Ama. Es zeichnet eine Beraterin aber nicht gerade aus, wenn sie über die Jahre mehr als eine Million Euro Gehalt eingestrichen hat, aber die Müllberge in der Stadt immer weiter wachsen.

Dass Muraro die Stadtreinigung Ama von "denen befreien will, die den Kollaps herbeigeführt haben", klingt vor diesem Hintergrund für viele Römer wie ein schlechter Witz. Auch dass sie mit der Ama-Führungsriege im Clinch liegt, trägt nicht zur Lösung des Problems bei.

Hinzu kommt, dass sie den angestauten Abfall auf den Anlagen von Roms selbst ernanntem "Müll-König" Manlio Cerroni entsorgen lassen will, um die Stadt erst mal sauber zu bekommen. Gegen Cerroni wird jedoch wegen Umweltvergehen ermittelt. Für die Fünf-Sterne-Bewegung, die sich auch auf nationaler Ebene als Alternative zur jahrelanger Vetternwirtschaft der Politik etablieren will, sieht das weniger gut aus.

Der neue Schlachtruf lautet nun, Rom soll bis zum 20. August vom Abfall befreit sein. Was der Müllabfuhr dieses Mal entgegen kommt: Um den Feiertag Ferragosto am 15. August herum sind sowieso wesentlich viel weniger Bewohner in der Stadt, die Müll machen könnten.

(felt/dpa)
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