Terroristen schreiben erstmals selbst über diese Praxis Jesidische Mädchen und Frauen — von IS versklavt und verkauft

Bagdad/New York · Bereits im August machten Berichte die Runde, wonach die Terrormiliz IS junge Frauen und Mädchen verkauft hat. Nun haben die Dschihadisten diese Praxis das erste Mal in einer Propaganda-Zeitschrift bestätigt. Frauen, die fliehen konnten, berichten unterdessen von den Qualen, die sie erleiden mussten.

Irak: Zehntausende Jesiden auf der Flucht
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Anfang August hatten die IS-Terroristen im Norden des Irak große Gebiete eingenommen. In jenen Gebieten lebten vor allem Jesiden, eine religiöse Minderheit, welche die Dschihadisten als Ungläubige und "Teufelsanbeter" beschimpfen. Schon damals berichteten Menschenrechtler davon, dass jesidische Frauen und Mädchen an die Kämpfer in Syrien verteilt und schließlich verkauft wurden, um sie zur Zwangsheirat zu zwingen.

In seiner Propaganda-Zeitschrift Dabiq rechtfertigt der IS nun die Praxis, diese Frauen zu entführen und als Sex-Sklavinnen zu halten, mit dem Islam - eine Interpretation, die viele Muslime als abstoßend betrachten dürften. In dem Artikel "Die Wiederbelebung der Sklaverei vor der Stunde (des jüngsten Tages)" heißt es: "Man sollte bedenken, dass die Versklavung der Familien der Ungläubigen und der Praxis, ihre Frauen als Konkubinen zu halten, ein fester Aspekt der Shariah oder des Islamischen Gesetzes ist."

Dann wird beschrieben, dass die Frauen unter den IS-Kämpfern in Syrien aufgeteilt worden seien und nun von den Soldaten verkauft würden. Es folgt eine Abhandlung darüber, dass es gerechtfertigt sei, sie als Sex-Sklavinnen zu behalten. Dies sei ein Zeichen des jüngsten Tages, heißt es vonseiten der Propaganda-Maschinerie der IS. Welche Qualen die Mädchen und Frauen erleiden müssen, darüber schreibt der IS nichts. Doch die Berichte von Frauen, die in den Händen der Dschihadisten waren und fliehen konnten, sprechen eine viel deutlichere Sprache.

So entstand der Name der Terrormiliz Islamischer Staat (IS)
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Foto: ap

Auch verheiratete Mädchen entführt

So ist es der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gelungen, mit einigen jesidischen Mädchen und Frauen zu sprechen, die aus der Gewalt ihrer Entführer entkommen konnten. In einem Video auf der Webseite des US-Senders CNN ist zu sehen, wie diese von den Menschenrechtlern interviewt werden. Da ist etwa eine alte Frau, die beschreibt, wie die IS-Kämpfer Frauen, Männer und Kinder separiert hätten. Die Männer seien getötet, die Frauen in drei Autos weggebracht worden. Und da ist die 17-jährige "Adlee", die selbst in der Gewalt der Terroristen war.

Auch sie berichtet, dass die Männer getötet und die Mädchen mitgenommen worden seien. Man habe sie geschlagen, um sie gefügig zu machen, aber sie hätten so lange wie möglich versucht zu verhindern, dass sie von den IS-Kämpfern angefasst würden. Die 19-jährige "Seve" wiederum erzählt, dass ihr Mann, ihr Schwager und ihr Schwiegervater vor ihren Augen erschossen worden seien. Sie schauten nach Frauen für sich, sagt sie, etwa 40 hätten sie mitgenommen, manche der Frauen seien bereits verheiratet gewesen.

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Verkauft worden von den IS-Kämpfern ist auch ein 15-jähriges Mädchen, mit dem die Nachrichtenagentur AP gesprochen hat. Anfang August sei sie gefangen genommen worden und zunächst in ein berüchtigtes Gefängnis in der Stadt Tal Afar gebracht worden. Als dann aber die US-Luftangriffe begonnen hätten, sei sie nach Syrien in die IS-Hochburg Rakka gebracht und mit anderen Mädchen in einem Haus gefangen gehalten worden. "Sie brachten die Mädchen nach Syrien, um sie zu verkaufen", sagt das Mädchen AP. "Ich blieb ungefähr fünf Tage mit meinen zwei Schwestern zusammen. Dann wurde eine meiner Schwestern verkauft und zurück nach Mossul gebracht. Ich blieb in Syrien."

Gleich mehrmals verkauft

Auch die 15-Jährige entkam nicht der Zwangsheirat. Zuerst mit einem palästinensischen Mann, den sie erschossen haben will. Als sie floh, habe sie nicht gewusst, wohin sie sollte, und sei wieder in jenes Haus gegangen, in dem sie zuerst von den Dschihadisten gefangen gehalten wurde. Die Kämpfer hätten sie nicht wiedererkannt und sie schließlich erneut verkauft — an einen Saudiaraber, der sie zur Muslima machen und dann heiraten wollte. Doch sie habe erneut fliehen können.

Isis/IS - Islamischer Staat im Irak und Syrien
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Foto: dpa, sdt moa

Die 19-Jährige Amscha Ali wiederum berichtet der Nachrichtenagentur, dass sie von Sindschar nach Mossul gebracht worden sei. Damals sei sie im sechsten Monat schwanger gewesen. Sie sei zusammen mit anderen Frauen in ein Haus voller IS-Kämpfer gebracht worden. "Jeder hat sich eine von uns genommen", erzählt sie. Sie sei aber nicht vergewaltigt worden, wahrscheinlich wegen ihrer Schwangerschaft. Nach mehreren Wochen sei sie dann durchs Fenster des Badezimmers geflüchtet.

Sie hatten Glück, konnten entkommen. Viele andere jesidische Frauen und Mädchen dagegen nicht. Human Rights Watch etwa berichtet eine Frau von ihrer Schwester, die sie habe erreichen wollen. Ans Telefon seien die IS-Kämpfer gegangen und hätten ihr gesagt, dass sie ihrer Schwester wehgetan und ihren Mann umgebracht hätten. Noch immer sei sie in der Gewalt der Terroristen. Ob sie jemals zurückkehren kann, ist fraglich.

mit Agenturmaterial

(das)
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