Fatou Bensouda, neue Chefanklägerin in Den Haag Jetzt jagt eine Frau die Diktatoren

Den Haag · Seit etwa zehn Jahren können sich Massenmörder und Kriegsverbrecher nicht mehr sicher fühlen: Ihnen sitzen die Ankläger des Weltgerichts in Den Haag im Nacken. An diesem Freitag setzt sich mit der Afrikanerin Fatou Bensouda erstmals eine Frau an ihre Spitze.

 Fatou Bensouda gilt im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Ocampo als Teamplayerin.

Fatou Bensouda gilt im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Ocampo als Teamplayerin.

Foto: dpa, Evert-Jan_Daniels

Dann nimmt die Mutter von drei Kindern ihre Arbeit am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag auf. Bensouda wird sich unter anderem mit blutrünstigen Kriegsherren ihres Heimatkontinents hautnah auseinandersetzen müssen.

Bensouda ist die erste Afrikanerin und die erste Frau an der Spitze des Gerichts. Die 51-jährige Juristin aus Gambia, zuletzt Vize-Anklägerin am IStGH, folgt dem Argentinier Luis Moreno-Ocampo.

Bensouda wehrt sich gegen die seit Jahren immer wieder aufkeimende Kritik, dass der Gerichtshof es nur auf Afrika abgesehen hat. "Ich bin Afrikanerin und ich bin stolz darauf", sagte sie wenige Tage vor Amtsantritt zu Journalisten in Den Haag. "Aber ich glaube nicht, dass ich für den Posten ausgewählt worden bin, weil ich Afrikanerin bin."

Bislang ermittelt der Gerichtshof vor allem gegen Diktatoren und Rebellenführer vom Schwarzen Kontinent - vom kongolesischen Kindersoldaten-Rekrutierer Thomas Lubanga, der im März als erster überhaupt vom IStGH verurteilt wurde, über Sudans Präsidenten Omar al-Baschir, gegen den ein Haftbefehl vorliegt, bis hin zum Ex-Präsidenten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo.

Es scheint, als wolle Bensouda diesen Fokus erweitern: "Ich bin Anklägerin für alle 121 Vertragsstaaten. Das ist, was ich bin und beabsichtige zu sein." Bisher haben 121 Staaten - darunter alle EU-Länder - das Römische Statut unterzeichnet, den Vertrag, durch den der IStGH errichtet wurde. Das sogenannte Weltstrafgericht verfolgt Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Bensouda glaubt an ihre Institution, scheut aber vor Kritik nicht zurück. "Wir haben Rückschläge erlitten", gibt sie vor Journalisten offen zu. "Da ist natürlich ein Gefühl von Frust, wenn man sieht, dass Leute wie (der ugandische Rebellenführer) Joseph Kony und Omar al-Baschir noch immer nicht festgenommen worden sind."

Die Mutter von drei Kindern stammt aus einer traditionellen Großfamilie. Ihr Vater, ein Beamter, hatte zwei Frauen. Ihr Beruf sei ihre Leidenschaft, sagt Bensouda. "Ich habe nie an etwas anderes gedacht." Sie wolle "für Opfer eintreten, die nicht für sich selbst sprechen können".

Das Leid, das sie als Kind mit eigenen Augen sah - in ihrem Land, in ihrer Familie -, kann sie bis heute nicht vergessen. Gesetze sind für Bensouda ein Werkzeug, um Menschen zu helfen. "Das hat mich die ganze Zeit lang angetrieben, die ganze Zeit."

1961 in der gambischen Hauptstadt Banjul geboren, hat Bensouda eine Blitzkarriere wie aus dem Bilderbuch absolviert: Nach Studien in Nigeria und auf Malta wurde sie mit 32 Jahren Vize-Direktorin für öffentliche Anklagen in der Generalstaatsanwaltschaft ihres Heimatlandes. Mit 35 Jahren wurde sie dort Generalanwältin, mit 37 war sie Justizministerin.

Als der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) 2002 eingerichtet wurde, übernahm die durchsetzungsstarke Juristin einen Posten als Rechtsberaterin. 2004 wechselte sie zum Internationalen Strafgerichtshof - und wird nun dessen Chefin.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort