Trotz Niederlage bei Referendum Jetzt will Orban Ungarns Verfassung ändern

Budapest · Trotz des Scheiterns der Volksabstimmung über die EU-Flüchtlingspolitik bleibt der ungarische Regierungschef Viktor Orban auf Konfrontationskurs zur EU. Und will nun die Verfassung seines Landes ändern.

 Victor Orban am Tag nach dem Referendum im ungarischen Parlament.

Victor Orban am Tag nach dem Referendum im ungarischen Parlament.

Foto: afp, ak

"Brüssel kann Ungarn nicht seinen Willen aufzwingen", sagte Orban am Sonntagabend vor Anhängern in Budapest, nachdem das von ihm angesetzte Referendum wegen zur geringer Beteiligung gescheitert war. Die Ungarn hätten seine Position bestätigt, dass Migrationspolitik nicht in Brüssel entschieden werden sollte, sagte Orban.

Zugleich kündigte er an, er werde eine Verfassungsänderung vorschlagen, die den Willen des Volkes widerspiegele. "Wir werden Brüssel zu verstehen geben, dass es den Willen der Ungarn nicht ignorieren kann", sagte der Rechtspopulist, der im Vorfeld massiv für ein Nein geworben hatte. Es wird vermutet, dass Orban einen Parlamentsvorbehalt bei EU-Beschlüssen in die Verfassung aufnehmen will. Er äußerte sich zunächst aber nicht weiter zu seinen Plänen.

Bei dem umstrittenen Referendum am Sonntag waren 8,3 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, über den EU-Beschluss abstimmen, 160.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland gemäß einer verbindlichen Quote auf die anderen EU-Staaten zu verteilen. Zwar sprachen sich 98,32 Prozent der Teilnehmer gegen die Umverteilung aus, doch war das Referendum wegen zu geringer Wahlbeteiligung ungültig.

Nur 40 Prozent nahmen am Referendum teil

Mit nur 40 Prozent lag die Beteiligung deutlich unter dem nötigen Quorum von 50 Prozent. Gegner Orbans hatten dazu aufgerufen, das Referendum zu boykottieren. Zusätzlich gaben viele Bürger ungültige Stimmzettel ab, um ihren Protest auszudrücken. Laut den EU-Plänen müsste Ungarn knapp 1300 Asylsuchende aufnehmen, doch weigert sich Orban, auch nur einen einzigen Flüchtling aus dem Kontingent aufzunehmen.

Zusammen mit der Slowakei klagte Ungarn gegen den EU-Beschluss. Die EU-Kommission betonte jedoch am Montag nach der Volksabstimmung, Ungarn sei weiterhin verpflichtet, Flüchtlinge nach geltenden EU-Beschlüssen aufzunehmen. Brüssel werde "zum gegebenen Zeitpunkt" gegen Länder vorgehen, die sich einer Aufnahme von Asylbewerbern verweigerten, sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel.

Viele Europapolitiker reagierten mit Erleichterung und Genugtuung auf das Scheitern der Volksabstimmung in Ungarn, dessen Kurs in Brüssel seit langem für Kritik sorgt. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) schrieb auf Twitter, Ungarns Bürger seien Orban nicht gefolgt. "Was wir jetzt brauchen, ist Dialog, um Lösungen zu bringen, nicht künstliche Spannungen."

Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff sagte der "Welt", bei dem Referendum "ging es um den Wunsch eines autoritären Herrschers, sich für seine fremdenfeindliche Politik eine Bestätigung abzuholen". Daraus sei "nun eine Ohrfeige geworden". Es sei nun nötig, im Dialog einen gerechten Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge festzulegen.

Die Mehrheit der ungarischen Bevölkerung habe Orban "die Rückendeckung für seine Sabotagepolitik in der Flüchtlingsfrage verweigert", erklärte der CSU-Abgeordnete Markus Ferber. Die Grünen-Ko-Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms begrüßte, dass Orbans "aggressive Kampagne gegen Flüchtlinge und die Europäische Union" bei den Ungarn "nicht verfangen" habe.

Die Linken-Abgeordnete Cornelia Ernst erklärte, Orban fehle damit "die von ihm angestrebte demokratische Legitimation, die EU-Beschlüsse zu torpedieren". Der SPD-Abgeordnete Arne Lietz schrieb auf Twitter, es sei gut, "dass die Ungarn Orbans Hetze nicht mitmachen".

(felt/AFP)
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