Eklat in Washington McCain: Steinmeier besitzt keine Glaubwürdigkeit

Washington · Der deutsche Außenminister sieht sich einer ungewöhnlich heftigen Attacke ausgesetzt: Der ehemalige US-Präsidentschaftskandidat John McCain hat Frank-Walter Steinmeier wegen der deutschen Haltung im Ukrainekonflikt ungewöhnlich scharf attackiert.

 Frank-Walter Steinmeier warnte bei einem Besuch in Washington vor einer Eskalation im Ukraine-Konflikt.

Frank-Walter Steinmeier warnte bei einem Besuch in Washington vor einer Eskalation im Ukraine-Konflikt.

Foto: dpa, gam lof

Eigentlich wollte Frank-Walter Steinmeier dieser Tage ganz woanders sein. In Asien, in Malaysia und Vietnam. Aber dann änderten sich die Reisepläne mal wieder. Und so fand sich der Außenminister in Washington wieder, fast zeitgleich mit der Kollegin aus dem Frauen- und dem Kollegen aus dem Gesundheitsressort. Die Zeiten, dass man als deutscher Minister wegen der NSA-Lauschangriffe lieber nicht in die USA kam, sind vorbei. Was längst nicht bedeutet, dass wieder alles in Ordnung ist, wie Steinmeier erfahren musste.

Um seinen US-Kollegen John Kerry zu sehen, hätte er sich allerdings nicht auf den Weg über den Atlantik machen müssen. Die beiden Außenminister treffen sich zur Zeit fast jede Woche. Zuletzt in Paris, davor in London, Brüssel, München, Wien, Genf. In Washington begrüßte Kerry den deutschen Freund "Frääänk" als "Mann, der genauso oft in der Luft ist wie ich". Das ist zwar übertrieben, aber Steinmeier ließ es stehen.

Trotzdem hat der 17-Stunden-Flug hin und zurück seinen Sinn. Zwischen den USA und Deutschland gibt es zur Zeit einiges an Abstimmungsbedarf. Die beiden wichtigsten Themen: der Konflikt mit Russland über die Ukraine und der Atomstreit mit dem Iran, der sich nun schon über zehn Jahre hinzieht. Im Osten der Ukraine kann, trotz einiger Fortschritte, alles sehr schnell wieder kippen. Im Atomstreit mit dem Iran geht es nächste Woche in die möglicherweise alles entscheidende Phase.

Beides hängt zusammen, und in beiden Konflikten spielt Deutschland eine wichtige Rolle. Kerry sprach mehrfach von einem "unerlässlichen Partner". Das ist inzwischen mehr als diplomatische Schmeichelei - wobei andere in Washington dem deutschen Kurs überhaupt nicht trauen. Die Befürworter einer militärischen Lösung für die Ukraine kommen vor allem aus dem Lager der Republikaner, aber nicht nur.

Bei Steinmeiers Abendessen mit Kerry saß auch dessen Europa-Abteilungsleiterin Victoria Nuland am Tisch, die bei einem Erfolg der Republikaner bei der Präsidentenwahl 2016 als Außenministerin gehandelt wird. Nuland hatte schon zu Beginn der Ukraine-Krise den Satz "Fuck the EU" geprägt, den man besser nicht übersetzt. Beim Abendessen, so schildern Teilnehmer, sei sie aber äußerst freundlich gewesen.

McCain nimmt kein Blatt vor den Mund

Anders der republikanische Senator John McCain. Der gescheiterte Präsidentschaftskandidat von 2008 polterte gegen Steinmeier, noch während dieser in Washington war, so richtig los. Nicht nur, dass er durch Beschwichtigungspolitik im Ukraine-Konflikt "keinerlei Glaubwürdigkeit" besitze. Auch noch: "Der deutsche Außenminister ist derselbe Mann, der sich mit seiner Regierung weigert, dem Verhalten von (Russlands Präsident) Wladimir Putin, der jetzt gerade Ukrainer abschlachtet, irgendwelche Grenzen zu setzen."

So etwas hat man von einem einflussreichen US-Senator über einen bundesdeutschen Außenminister noch nie gehört. Der verzichtete zunächst aber auf eine Replik.

Grund für den Ausbruch war ein Auftritt Steinmeiers vor dem Center for International and Strategic Studies (CSIS), einer von Washingtons wichtigsten Denkfabriken. Dort hatte Steinmeier den Brief kritisiert, den McCain mit 46 anderen republikanischen Senatoren an die iranische Führung geschrieben hat.

Die "Gruppe 47" droht darin, dass ein möglicher Atomvertrag mit dem Iran jederzeit vom US-Senat oder nach der Wahl 2016 auch vom nächsten Präsidenten gekippt werden könnte - für den demokratischen Präsidenten Barack Obama eine Provokation, aber auch für die Verhandlungsgruppe aus den fünf UN-Vetomächten und Deutschland (5+1) eine Belastung. Teheran steht seit langem im Verdacht, an einer eigenen Atombombe zu arbeiten.

Steinmeier sagte dazu, das Schreiben habe "Irritationen" ausgelöst. "Es wäre schon ohne den Brief der 47 schwierig genug gewesen. Es ist noch etwas schwieriger geworden." Tatsächlich dürfte es nächste Woche im Gespräch mit den Iranern nicht einfach sein, Zweifel an der eigenen Glaubwürdigkeit zurückzuweisen. Auf den Brief ging er übrigens erst ein, als er danach gefragt wurde.

Zuvor hatte Steinmeier aber schon keinen Zweifel daran gelassen, dass er weiter gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ist. Stattdessen warb er um "strategische Geduld" im Umgang mit Russland.

Auf Nachfragen gab Steinmeier jedoch zu, dass ein Angriff auf die Hafenstadt Mariupol die Lage völlig ändern würde. "Dann müssten wir sagen, dass wir gescheitert sind. Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt." Er sagt das nicht nur der Menschen in der Ukraine wegen, sondern auch aus eigenem Interesse: Man kann sich vorstellen, wie McCain in einem solchen Fall reagieren würde.

(dpa)
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