Kampf gegen Islamischen Staat Frankreichs neue Kreuzritter

Paris · Was tun gegen den IS? Etliche Franzosen gründen inzwischen Freiwilligen-Gruppen, um etwa den irakischen Kurden oder den christlichen Assyrern zu helfen. Gut möglich, dass sie sich im Kriegsgebiet Landsleuten gegenübersehen.

Kämpfer für die christlichen Glaubensbrüder: Mitglieder der "Assyrisch-Französischen Legion", allesamt Ex-Soldaten, posieren in Südfrankreich.

Kämpfer für die christlichen Glaubensbrüder: Mitglieder der "Assyrisch-Französischen Legion", allesamt Ex-Soldaten, posieren in Südfrankreich.

Foto: dpa

"Gekko" hat viele Gewaltvideos des Islamischen Staats gesehen. Hingerichtete Männer, vergewaltigte Frauen, getötete Kinder. "Ich konnte nicht weiter mit den Händen im Schoß dasitzen", sagt der ehemalige französische Soldat in Interviews. Der 25-Jährige spricht mit einem Freund darüber, sich Kämpfern gegen die Extremisten anzuschließen. Der ist begeistert, und zusammen gründen sie die "Taskforce Lafayette", eine Einheit ehemaliger Soldaten, die die kurdischen Peschmerga im Nordirak gegen den IS ausbilden will. Der Name bezieht sich auf den Marquis de la Fayette, der mit einer Truppe Freiwilliger im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775-1783) gegen die Briten kämpfte.

Die französische Armee unterstützt die Kurden bereits mit Waffenlieferungen und fliegt Luftangriffe auf Stellungen des IS im Irak und in Syrien. Doch das reicht der Gruppe um "Gekko" nach der islamistischen Anschlagsserie im Januar mit 17 Toten nicht. "Sie haben Frankreich den Krieg erklärt. Ich verstehe nicht, warum wir so passiv sind", kritisiert "Ach", ein weiterer Kämpfer, im Radiosender France Info: "Nur vor Ort kann ich mich nützlich fühlen." Im Dezember soll es losgehen - auch für seine Freundin "Cass". Sie war als Einzige der rund 15-köpfigen Truppe nicht bei der Armee, kann aber als Kfz-Mechanikerin Fahrzeuge reparieren.

In der Nähe der nordirakischen Stadt Kirkuk sollen die Kämpfer unterkommen, die für ihre Ausrüstung bereits 35.000 Euro an Spenden zusammenbekommen haben. Auf Facebook zeigt die Taskforce, die sich auf die "Brigade Lafayette" der französischen Armee in Afghanistan beruft, bereitwillig ihre Vorbereitungen - einschließlich der Ausstattung von Sprengstoffspürhund Fidji.

Als "unpolitisch und nicht religiös" bezeichnen sich die Ex-Soldaten, die viel Zulauf bekommen. "Wir sind keine rechtsextreme Gruppe, wir sind keine Kreuzritter. Die Muslime gehören zu der Bevölkerung, der wir helfen wollen", sagt "Ach". Damit unterscheidet sich die "Taskforce Lafayette" deutlich von einer anderen französischen Einheit, die ebenfalls den IS bekämpfen will: dem "Bataillon Beaufort". Die ausdrücklich christliche Gruppierung, auch als "Assyrisch-Französische Legion" bekannt, nennt sich inzwischen auch "Dwekh Nawsha", was auf Aramäisch "Künftige Märtyrer" heißt. "Gruppe christlicher Franzosen, die bereit ist, den IS zu bekämpfen", steht auf ihrer Facebook-Seite. Die Partei der patriotischen Assyrer hatte "Dwekh Nawsha" 2014 zum Schutz der Christen gegründet, die vom IS brutal verfolgt werden.

"Man braucht Freiwillige, um diese Bevölkerung zu schützen", sagte ein 42-jähriger Freiwilliger aus Südfrankreich der Zeitung "Le Figaro". "Dwekh Nawsha" hat nicht nur Dutzende Franzosen in ihren Reihen, sondern auch Freiwillige aus Großbritannien oder den USA.

Wie die Franzosen hat auch der ehemalige US-Marineinfanterist Louis seinen Flug in die Kriegsregion selbst bezahlt. Geld für ihren Einsatz bekommen die Milizionäre nicht, was sie von Söldnern unterscheidet. Daher sehen sich die modernen Kreuzritter auch nicht im Unrecht: Das Söldnergesetz von 2003 verbietet zwar bezahlte Operationen in Konfliktregionen, spricht aber nicht von unbezahlten Freiwilligen. Wie die französischen Behörden die Anti-IS-Kämpfer beurteilen, ist unklar, da sie bisher keinen Kommentar dazu abgegeben haben.

Klar ist, dass die Anti-Terror-Maßnahmen der Regierung "Gekko" und Co. kaum betreffen. Denn nur wer das Land zu terroristischen Zwecken verlässt, kann an der Ausreise gehindert werden. Rund 500 Franzosen kämpfen laut Innenministerium derzeit in Syrien und im Irak an der Seite des IS. Denen könnten sich die neuen Anti-IS-Einheiten bald gegenübersehen. Die Expertin Myriam Benraad sieht bei beiden eine ideologische Motivation: "Es gibt auf beiden Seiten eine Sakralisierung des Kampfes", sagte die Professorin der Universität Sciences Po der Zeitung "Le Parisien".

(RP)
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