Riesenproteste in Belgrad Karadzic offenbar nach Den Haag ausgeliefert

Belgrad (RPO). Der mutmaßliche Kriegsverbrecher Radovan Karadzic ist offenbar am Dienstagabend nach Den Haag ausgeliefert worden. Unterdessen protestierten tausende Menschen in Belgrad gegen die Auslieferung des ehemaligen bosnischen Serbenführers.

Proteste serbischer Nationalisten
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Wie der Nachrichtensender N-24 berichtet soll Radovan Karadzic am Dienstagabend nach Den Haag ausgeliefert worden sein.

Zu der Großkundgebung gegen die Auslieferung Kradzics, die ebenfalls am Dienstagabend stattfand, hatte die ultranationalistische Serbische Radikale Partei aufgerufen. Die endgültige Entscheidung über die Überstellung lässt auf sich warten, da der Einspruch von Karadzics Verteidiger noch nicht beim serbischen Kriegsverbrechergericht einging. Der serbische Präsident Boris Tadic sprach von einer "unglaublichen" Demonstration gegen den Rechtsstaat.

Die Demonstranten, die zum Platz der Republik im Zentrum der serbischen Hauptstadt strömten, skandierten Karadzics Namen und schwenkten serbische Fahnen. Sie trugen ein großes Banner mit dem Bild des Führers der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS), Vojislav Seselj, der sich bereits wegen Kriegsverbrechen vor dem Haager UN-Tribunal verantworten muss. Auf einem Spruchband über der Tribüne am Platz der Republik stand "Freiheit für Serbien, Freiheit für Radovan". Zahlreiche Sicherheitskräfte waren im Einsatz, um mögliche Ausschreitungen zu verhindern. Karadzic war amtlichen Angaben zufolge am 21. Juli in Belgrad festgenommen worden.

Die Demokratische Partei Serbiens des ehemaligen Regierungschefs Vojislav Kostunica unterstützte die Großkundgebung. Nach den Worten des SRS-Führungsmitglieds Alexander Vucic richtete sie sich auch gegen das "verräterische und diktatorische Regime" des pro-westlichen Präsidenten Tadic. Dieser sagte nach Angaben des Hörfunksenders B92, jeder habe das Recht zu demonstrieren, aber die serbischen Gesetze müssten respektiert werden. Karadzics Überstellung an das Haager Tribunal sei per Gesetz vorgesehen.

Der Einspruch gegen Karadzics Überstellung sei noch nicht eingetroffen, sagte die Sprecherin des serbischen Kriegsverbrechergerichts, Ivana Ramnic. Karadzics Anwalt Svetozar Vujacic hatte den Brief nach eigenen Angaben am Freitagabend kurz vor Ablauf der Einspruchsfrist in die Post gegeben. Über den Inhalt des Schreibens und das Postamt, in dem der Brief aufgegeben wurde, hatte sich Vujacic ausgeschwiegen.

Sobald das Belgrader Gericht Vujacics Einspruch erhält, soll binnen drei Tagen endgültig über Karadzics Überstellung entschieden werden. Das Justizministerium müsste eine entsprechende Anordnung noch genehmigen. Eine Verzögerung der Überstellung könnte Karadzics in Bosnien lebender Familie Gelegenheit geben, ihn in Belgrad noch einmal zu besuchen.

Karadzic war 1996 untergetaucht, nachdem ihn das UN-Tribunal wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt hatte. Der einstige bosnische Serbenführer und sein noch flüchtiger, früherer Militärchef Ratko Mladic werden für Gräueltaten während des Bosnien-Krieges von 1992 bis 1995 verantwortlich gemacht, unter anderem für das Massaker von Srebrenica mit fast 8000 muslimischen Opfern im Juli 1995.

(afp)
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