Regionalregierung Katalonien droht mit Unabhängigkeitserklärung in wenigen Tagen

Barcelona/Madrid · Hunderttausende gehen im Katalonien-Konflikt auf die Straßen. Aber weder die Zentralregierung in Madrid, noch der König sind zu Kompromissen bereit. Barcelona könnte schneller als gedacht die Unabhängigkeit ausrufen.

 Am Dienstag demonstrierten in Barcelona Hunderttausende für die Unabhängigkeit von Katalonien.

Am Dienstag demonstrierten in Barcelona Hunderttausende für die Unabhängigkeit von Katalonien.

Foto: dpa, EM abl

Katalonien will binnen weniger Tage seine Unabhängigkeit von Spanien erklären. Das sagte der Chef der Regionalregierung Carles Puigdemont dem britischen Sender BBC in einem Interview am Dienstag. Seine Regierung werde Ende dieser Woche oder Anfang nächster Woche handeln, kündigte Puigdemont an. Ein mögliches Eingreifen der Zentralregierung in Madrid halte er für einen Fehler. Derzeit bestehe kein Kontakt zwischen der Regionalregierung von Katalonien und Madrid.

Inzwischen teilte die Regionalregierung mit, dass Puigdemont am Mittwoch eine Erklärung abgeben wolle. Aus Regierungskreisen verlautete, diese sei um 21.00 Uhr MESZ zu erwarten. Das Präsidium des katalanischen Parlaments kommt im Laufe des Tages zusammen, um einen Termin für die nächste Plenarsitzung zu festzulegen. In dieser Sitzung könnte dann das Datum für die Unabhängigkeitserklärung festgelegt werden.

Mehrere Hunderttausend gehen auf die Straße

Bei dem umstrittenen Referendum in der Region hatte eine deutliche Mehrheit der Wähler am Sonntag für eine Loslösung Kataloniens von Spanien gestimmt. Barcelona hatte das Referendum ungeachtet eines Verbots durch das Verfassungsgericht und auch gegen den Willen der Zentralregierung in Madrid abgehalten.

In der Region demonstrierten mehrere Hunderttausend Menschen für die Unabhängigkeit und gegen Polizeigewalt. Zugleich legte am Dienstag ein Generalstreik weite Teile des öffentlichen Lebens lahm. In Barcelona blieben die meisten Geschäfte und auch die Metro-Stationen geschlossen. Zu den Kundgebungen und dem Ausstand hatten Gewerkschaften und andere Organisationen aufgerufen.

König Felipe VI. schaltet sich ein

 Am Dienstag demonstrierten in Barcelona auch Gegner der Unabhängigkeit Kataloniens.

Am Dienstag demonstrierten in Barcelona auch Gegner der Unabhängigkeit Kataloniens.

Foto: dpa, EM hjb

Nach den Protesten schaltete sich König Felipe VI. mit scharfer Kritik an der Regionalregierung erstmals in den Konflikt ein. Die Führung in Barcelona bewege sich "außerhalb des Gesetzes" und setze "die wirtschaftliche und soziale Stabilität Kataloniens und ganz Spaniens aufs Spiel", sagte der Monarch am späten Dienstagabend in einer Fernsehansprache an die Nation. Es liege "in der Verantwortung des Staates, die verfassungsmäßige Ordnung sicherzustellen."

Während der Abstimmung am Sonntag war die von Madrid entsandte Staatspolizei teilweise hart gegen Separatisten vorgegangen. Dabei wurden nach Angaben der Regionalregierung rund 900 Menschen verletzt. Gegen diesen harten Einsatz richtete sich der Massenprotest, bei dem überwiegend Partystimmung herrschte. Allein in Katalonien waren nach Schätzung der Behörden rund 300.000 Menschen bis zum späten Abend auf den Straßen. Tausende sangen die katalanische Nationalhymne und riefen Parolen wie: "Die Straßen gehören uns!" oder "Besatzungskräfte raus!", als ein Hubschrauber der Nationalpolizei über sie hinwegflog.

Die Zentralregierung prangerte zur selben Zeit in Madrid eine "Verfolgung" von Staatsbeamten durch die Katalanen an. Man werde "alles Nötige unternehmen", um die Verfolgung zu stoppen, warnte Innenminister Juan Ignacio Zoido. Die 10.000 von Madrid entsandten Polizisten blieben am Dienstag jedoch fast alle in den Unterkünften. Einige hundert wurden von katalanischen Hotels aus Protest vor die Tür gesetzt.

Großdemonstrationen in weiteren Städten

Auch in Girona fanden sich mehr als 30.000 Menschen ein. In Reus, Tarragona und anderen Städten gab es ebenfalls Großdemonstrationen. Feuerwehrmänner waren mit von der Partie, Bauern protestierten auf ihren Traktoren und sperrten Straßen ab. Katalonien ist die wirtschaftsstärkste Region Spaniens und steuert knapp ein Fünftel zum Bruttoinlandsprodukt des Königreichs bei.

Währenddessen bereitete sich die Regionalregierung weiter auf die Ausrufung der Unabhängigkeit vor. Abgeordnete erklärten laut Medienberichten, das Regionalparlament in Barcelona komme am Mittwoch zusammen, um einen Termin für die Sitzung festzulegen, bei der die Unabhängigkeitserklärung lanciert werden soll.

Gegner der Unabhängigkeit kündigten unterdessen für Sonntag eine Demonstration gegen die Abspaltung Kataloniens von Spanien an. Es gehe darum, wieder "die Vernunft zurückzugewinnen", erklärte Àlex Ramos, der Vizepräsident der zivilen Organisation Societat Civil Catalana (SCC).

Felipe räumte ein, Spanien mache "schwierige Zeiten" durch. Man werde diese aber "überwinden und vorwärtskommen", sagte das 49 Jahre alte Staatsoberhaupt. Allen Spaniern wolle er "eine Botschaft der Ruhe und der Hoffnung" übermitteln. Ohne demokratischen Respekt gebe es kein friedliches Zusammenleben.

(wer/das/dpa/AP/rtr)
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