Provokanter Raketenstart Nordkorea hört nicht mal mehr auf China

Berlin/Pjöngjang · Washington will mit einem Raketenabwehrschirm in Ostasien China dazu bewegen, wieder stärker auf das Regime Kim Jong Uns einzuwirken. Doch ist dieser Hebel das richtige Mittel zum Frieden?

Kim Jong Un: Nordkorea hört nicht mal mehr auf China
Foto: dpa / C. Schnettler

Weltweite Proteste hat Nordkorea mit dem Start einer Rakete ausgelöst. Auch die Bundesregierung verurteilte den Verstoß gegen UN-Resolutionen durch das Regime in Pjöngjang und sprach sich für verschärfte Sanktionen aus, die nun der UN-Sicherheitsrat ausarbeiten müsse. Die Hoffnungen richten sich auf Nordkoreas engsten Partner China. Hier will hinter den Kulissen auch Deutschland hilfreich wirken.

Einen Monat nach einem scharf verurteilten Atombombentest hatte Nordkorea am Sonntag eine Trägerrakete vom Typ Taepodong II ins All geschickt. Der Raketenstart habe offiziellen Angaben zufolge dazu gedient, den Satelliten "Leuchtender Stern" in die Erdumlaufbahn zu transportieren. Dagegen argwöhnen Beobachter, dass Nordkorea seine von den Vereinten Nationen untersagte Entwicklung ballistischer Raketen fortsetzt, um diese mit Nuklearsprengköpfen zu bestücken.

Die gestiegene Nervosität kam am Montag auch in Warnschüssen zum Ausdruck, die die südkoreanische Marine nach dem Eindringen eines nordkoreanischen Patrouillenbootes in die von Seoul beanspruchten Gewässer nahe der Socheongdo-Insel abgab. "Wie Nordkorea in einer schwer aufgerüsteten Region zündelt, ist extrem gefährlich für den Weltfrieden", sagte Grünen-Außenexperte Omid Nouripour. Gleichzeitig biete dieses Verhalten die Möglichkeit, dauerhafte Kooperationsinstitutionen mit China aufzubauen, erklärte Nouripour und schlug konkret vor: "Es wäre sicher sinnvoll, darüber nachzudenken, einen permanenten Nato-China-Rat einzurichten, um gemeinsam über Lösungen wie die für die Herausforderung aus Pjöngjang zu beraten."

Die Motive des streng abgeschotteten Regimes sind für westliche Politiker schwer zu ergründen. SPD-Außenexperte Niels Annen verweist darauf, dass es in der Staatspartei auch Kräfte gebe, die für eine gewisse Öffnung und im Konflikt mit dem Militär stünden. "Mir scheint, dass die jüngsten Provokationen sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet sind", vermutet Annen. Richtig sei es, China einzubeziehen, das erneut von seinem Verbündeten düpiert worden sei.

Für Unions-Außenpolitiker Jürgen Hardt ist es erschreckend, wie Diktator Kim Jong Un das Raketen- und Atom-Projekt über alles stelle: "Die Menschen verhungern, für die er die Verantwortung trägt, er aber hat nur dieses Thema im Sinn." Hardt äußerte Zweifel, ob Pjöngjang bei Raketen- und Atombombentechnik tatsächlich schon so weit sei, wie behauptet. Es sei allerdings nur eine Frage der Zeit, bis das Regime den technologischen Rückstand aufgeholt habe. Deshalb sei die internationale Gemeinschaft aufgerufen, die Sanktionen zu verschärfen.

Reaktionen aus Moskau und Peking weit von alarmierendem Befund entfernt

Wie aus Regierungskreisen verlautete, ist Deutschland bereit, seine Expertise bei der Durchleuchtung kritischer sogenannter "Dual-Use"-Güter den chinesischen Grenzkontrolleuren zur Verfügung zu stellen. Dabei geht es um die nicht immer einfache Analyse, ob Produkte, deren Komponenten sowohl friedlichen als auch militärischen Zwecken dienen könnten, unter die Sanktionen gegen Nordkorea fallen.

Die Reaktionen aus Moskau und Peking waren zwar durchaus kritisch, aber noch weit von einem alarmierenden Befund entfernt. Möglicherweise hängt das auch mit der Einschätzung zusammen, dass Kim Jong Un nur behauptet, über atomar bestückbare Langstreckenraketen zu verfügen, die regionalen Geheimdienste dies aber als Theaterinszenierung entlarvt haben. Im Meer gefundene Raketenteile sollen darauf hindeuten, dass sie für die angestrebte Nutzlast noch zu schwach sind.

Als "Hebel" wird daher das Vorgehen der USA gewertet, dem Ruf Südkoreas und Japans nach dem Aufbau eines Raketenabwehrschirms nun folgen zu wollen. Denn China würde Nordkorea wohl lieber selbst zu einem friedlicheren Kurs bewegen, statt ein solches Abwehrsystem in Ostasien gutzuheißen.

Skeptisch ist Linken-Außenexperte Stefan Liebich, ob das funktioniert: "Nicht einmal China weiß noch, was Kim Jong Un plant." Zu befürchten sei, dass dieser versuche, "sich internationale Aufmerksamkeit zu erbomben". Dieses Vorgehen hatte schon sein Vater, Kim Jong Il, immer wieder bevorzugt — sich dann aber jeweils auf Verhandlungen eingelassen. Sein Sohn scheint indes überzeugt, dass Nordkorea zerschlagen werden solle — und setzt dabei mit zunehmender Irrationalität alles auf eine globale atomare Abschreckung und Bedrohung.

(may-)
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