Klimagipfel der UN Klimarettung ohne Merkel

Berlin · Die Kanzlerin fehlt heute beim Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York. Lieber tritt sie beim Tag der deutschen Industrie in Berlin auf. Deutschland hat seine einstige Führungsrolle beim Klimaschutz längst verspielt.

Klimagipfel der UN: Klimarettung ohne Merkel
Foto: dpa, vk jak

Von ihrer Sympathie für Eisbärenbabys hat man sie schon lange nicht mehr reden hören. Und auch die alten Fotos von Angela Merkel (CDU) und dem damaligen Umweltminister Sigmar Gabriel an den schmelzenden Gletschern Grönlands (SPD) werden nur noch gezeigt, wenn es um das Verhältnis der Bundeskanzlerin zu ihrem heutigen Vize-Kanzler in der großen Koalition geht. Zum Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York lässt die einstige deutsche "Klima-Kanzlerin" heute nur ihre Umweltministerin fahren. Von ihren leidenschaftlichen Worten zum Klimawandel beim G 7-Gipfel 2007 in Heiligendamm ist auf der Agenda der Kanzlerin 2014 wenig übrig.

Deutschland könnte dadurch seine Vorreiterrolle beim Umweltschutz einbüßen. Glaubwürdigkeit schmilzt dahin, wenn diesmal sogar US-Präsident Barack Obama und mehr als 140 weitere Staats- und Regierungschefs weiterverhandeln - die deutsche Kanzlerin aber fehlt. Merkel weilt stattdessen beim Tag der deutschen Industrie in Berlin - ein wichtiger Termin, aber kein unverzichtbarer.

Das Treffen in New York bei der Uno gilt in dem stockenden Ringen der Staaten um ein neues Klima-Abkommen bis 2015 immerhin als wichtige neue Chance. Das Abkommen soll 2020 das Kyoto-Protokoll ablösen, das den weltweiten Klimaschutz garantieren soll. Bis zum großen Klimagipfel in Paris im kommenden Jahr müssen die Details stehen. Ziel der Staaten ist es, dass die Erderwärmung zwei Grad nicht überschreitet. Um das zu erreichen, sind gewaltige Anstrengungen nötig. Die USA und China, die sich bislang nicht auf verbindliche und ambitionierte Absenkungen des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes festlegen lassen wollen, zeigen jetzt erstmals Verhandlungsbereitschaft.

Mit Angela Merkel könnten sie auf Augenhöhe verhandeln. Doch mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) schickt Deutschland in den Augen vieler Beobachter nur die zweite Reihe an den Verhandlungstisch. "Damit überlässt es die deutsche Politik anderen Staatenlenkern, den Ton anzugeben", kritisiert etwa Susanne Dröge von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Dabei hätte Merkel eigentlich nie mehr Einfluss als jetzt. Als Deutschland Anfang Juli die Präsidentschaft der sieben größten Industrieländer (G7) übernahm, hofften viele darauf, sie könnte das Thema Klimawandel vorantreiben. "Deutschland wird Frankreich als Gastgeber der Klimakonferenz stark unterstützen", kündigte Merkel aber nur vorsichtig an. Das klang kaum vielversprechend. Und: Deutschland werde in der Zeit seiner Präsidentschaft einen Schwerpunkt legen auf "nachhaltiges Wirtschaften".

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Beim Petersberger Klimadialog im vergangenen Jahr hörte sich die Bundeskanzlerin und einstige Umweltministerin im Kabinett von Helmut Kohl noch anders an: "Warten ist keine Option", sagte sie damals zu einem weiter ausstehenden verbindlichen Klimavertrag der Staaten zur Minderung der Treibhausgase. Trotzdem war das Thema auf ihrer Agenda da schon weit nach unten gerückt. Zum Vergleich: 2007, im Jahr ihrer Reise nach Grönland, stand das Thema bei einer Kabinettsklausur der damaligen großen Koalition oben auf der Agenda. Damals sagte Merkel: "Wir haben alle Chancen, das Thema zu bewältigen." Angesichts der schmelzenden Gletscher in Grönland zeigte sie sich tief beeindruckt: "Das muss man selbst gesehen haben", erklärte sie.

Es war der Auftakt einer Werbetour für Klimaschutz, bei der Merkel die halbe Welt bereiste. Auch das gesellschaftliche Klima in Deutschland war damals ein anderes. Zahlen und Nachrichten über die drohende Erderwärmung und ihre Folgen beherrschten die Schlagzeilen. Der Klimawandel, das war Konsens, galt als eine der größten Herausforderungen der Neuzeit. Die Welt blickte deshalb gespannt auf den Klimagipfel von Kopenhagen 2009, der verbindliche Klimaziele für alle Staaten schon damals hätte festlegen sollen. Doch der Gipfel scheiterte krachend. Merkel hatte vor Ort mitverhandelt - und musste anschließend viel Kritik einstecken. "Kopenhagen ist ein erster Schritt hin zu einer neuen Weltklimaordnung, nicht mehr, aber auch nicht weniger", sagte sie danach - um Schadensbegrenzung für ihre Regierung bemüht. Klare Reduktionsziele waren wieder einmal nicht vereinbart worden.

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Möglicherweise hat Merkel schon damals kapituliert. Beim Weltklimagipfel sitzen zu viele ungleiche und unkalkulierbare Verhandlungspartner mit am Tisch, das birgt viele Risiken, am Ende als Verlierer vom Platz zu gehen. Während die aufstrebenden Schwellenländer der Welt ihr Wachstum nicht ausgebremst sehen wollen, drängen die Europäer auf härtere Standards für alle. Zuletzt hatte die EU an Glaubwürdigkeit verloren, weil sie sich nicht einmal selbst ehrgeizige Klimaziele verordnet hat. Und sogar beim Musterknaben Deutschland stiegen seit 2012 die CO2-Emissionen an. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace verkündete schon im vergangenen Jahr, dass sie Merkel den Beinamen "Klima-Kanzlerin" aberkennt. "China ist bereit etwas zu tun, die USA auch. In einer solchen Situation scheut die Bundeskanzlerin die Verantwortung für den internationalen Klimaschutz", kritisiert der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne). "Ich hätte mir von ihr erwartet, dass sie jetzt an der Seite von Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon für den Klimaschutz aktiv wird. Warum fährt sie nicht nach New York?"

Die Euro-Krise sorgte dafür, dass der Klimawandel in der öffentlichen Wahrnehmung verblasste. Es galt für Merkel, den Euro zu retten. Mit ihrem Rückzug von der Klimafront hat die Bundeskanzlerin aber die Chance verspielt, dass Deutschland an führender Stelle Verantwortung übernimmt. Jetzt werden wohl andere die Entscheidungen treffen.

(rl)
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