Analyse Darum ist die Grenzstadt Kobane so wichtig

Kobane/Ankara · Tag für Tag beherrschen schwere Kämpfe die syrische Stadt Kobane. Die Terrormiliz IS soll bereits ein Drittel der Gebiete beherrschen. Und die internationale Staatengemeinschaft ringt noch immer um eine angemessene Reaktion. Doch warum ist Kobane eigentlich so wichtig – für den IS, für die Kurden, für die Türkei und nicht zuletzt auch für die anderen Nato-Staaten?

IS-Flaggen wehen über dem Stadtrand von Kobane
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Tag für Tag beherrschen schwere Kämpfe die syrische Stadt Kobane. Die Terrormiliz IS soll bereits ein Drittel der Gebiete beherrschen. Und die internationale Staatengemeinschaft ringt noch immer um eine angemessene Reaktion. Doch warum ist Kobane eigentlich so wichtig — für den IS, für die Kurden, für die Türkei und nicht zuletzt auch für die anderen Nato-Staaten?

Auch massive internationale Luftangriffe am Donnerstag haben den Vormarsch der IS-Dschihadisten in Kobane nicht ganz gestoppt. IS-Kämpfer hätten eine Polizeistation erobert und kontrollierten nun mehr als ein Drittel der an der türkischen Grenze gelegenen Stadt, berichtete das Syrische Beobachtungszentrum für Menschenrechte.

Seit Tagen steht die Frage im Raum, ob Kobane fallen wird. Während die USA Luftangriffe fliegen, hält sich die Türkei zurück und will keinen Alleingang in Bezug auf Bodentruppen in Syrien wagen. Dafür musste sich das Land, das primär den Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad will, viel Kritik gefallen lassen. Doch auch nach dem Besuch des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg bleibt die Regierung in Ankara hart.

Türkei-Experte: Symbol für die Zukunft der Türken

Es zeigt, wie schwer es sein wird, noch eine gemeinsame Strategie zu finden in Bezug auf den Vormarsch des IS in Kobane. Dabei ist die Stadt für alle Parteien von strategischer Bedeutung, insbesondere aber für die dort kämpfenden Kurden und die IS-Terroristen. So sagt Türkei-Experte Günter Seufert von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Interview mit der Deutschen Welle, dass die Grenzstadt die Zukunft der Kurden symbolisiere.

Denn zum einen sei die Stadt eine von drei autonomen Kantonen der Kurden in Syrien, zum anderen sei er von großer symbolischer Bedeutung für die türkischen Kurden, weil dort zum ersten Mal das Gesellschaftsmodell des politischen Führers der verbotenen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, verwirklicht worden sei. Dieser habe "ein Gesellschaftsmodell für ein neues Zusammenleben der verschiedenen Ethnien und Konfessionen im Nahen Osten verkündet, dass sich sehr stark auf direkte Demokratie und Partizipation stützt", so der Experte.

Die türkischen Kurden würden keine Grenze ziehen zwischen ihnen und jenen in Syrien, sagt Seufert. "Die syrischen Kurden sind zum großen Teil verwandt mit türkischen Kurden, sie sind teilweise Mitglieder derselben Stammesföderation." Zudem rekurtiere die PKK seit Jahrzehnten junge Menschen für den Kampf gegen die Türkei aus den syrischen Kurden-Gebieten.

Nicht nur wegen Grenzlage interessant

Doch noch mehr Autonomie für die Kurden ist gerade Ankara ein Dorn im Auge. Die Regierung der Türkei sieht als Bedrohung für ihr Volk vor allem die PKK und auch das syrische Assad-Regime. Insbesondere der Kampf gegen das Assad-Regime hat für die Türkei mehr Priorität als der Kampf gegen den IS.

Sollte Kobane aber fallen, könnte dies den seit anderthalb Jahren laufenden Friedensprozess zwischen Türkei und PKK gefährden. Und nicht nur das. Denn der IS hätte dann einen langen und durchgängigen Grenzstreifen zur Türkei unter Kontrolle. Damit stünden die Terroristen direkt an der Grenze zu einem Nato-Land und wären damit nicht nur eine Bedrohung für Syrien und den Irak, sondern auch für die Türkei und andere Nato-Mitglieder.

Für die Terrormiliz selbst hat Kobane aber nicht nur wegen seiner Grenzlage eine hohe strategische Bedeutung, sondern auch wegen seiner Lage in der Region. Die Stadt liegt genau zwischen den Gebieten im Osten und Westen der Länder, die der IS kontrolliert. "Damit kann sich der IS praktisch aussuchen, ob er weiter Richtung Westen expandiert oder nach Osten", sagt Türkei-Experte Seufert.

(das)
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