Nobelpreis geht an Juan Manuel Santos Ein Preis wird zum Mutmacher

Meinung | Bogotá/Oslo · Der Friedensnobelpreis für Angela Merkel wäre verdient gewesen wie der für Helmut Kohl. Aber dass es für die beiden Deutschen auch dieses Mal nicht klappte, zeigt vor allem, dass der wichtigste Preis der Welt andernorts mehr Wirkung zu entfalten vermag.

 Der kolumbische Präsident und künftige Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos.

Der kolumbische Präsident und künftige Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos.

Foto: ap, RM

Um die deutsche Dimension der Osloer Friedensnobelpreis-Entscheidung gleich auf den Punkt zu bringen: Der Schreibtisch in der Münchner Staatskanzlei ist unversehrt geblieben. Hätte Angela Merkel den renommiertesten Preis der Welt für ihre Flüchtlingspolitik bekommen, Horst Seehofer hätte wohl vor Wut in die Platte gebissen. So tritt die deutsche Kanzlerin in die Fußstapfen ihres Vorvorgängers Helmut Kohl. Auch dessen epochale Verdienste um die europäische Friedensordnung blieben bislang ohne Auftritt in Oslo. Im Vergleich mit den vielen Preisgekrönten, die vergleichsweise winzige Leistungen vorzuweisen haben, bleibt es somit bei der Erwartungshaltung, dass es Kohl und Merkel eigentlich auch mal verdient hätten. Zudem: Ein bisschen schräg wäre es schon gewesen, die Kanzlerin der Willkommenskultur zu preisen zu einem Zeitpunkt, an dem sie in dem Bemühen gut voran kommt, die Schotten wieder dicht zu kriegen.

Kategorie "Mutmachen"

Das Votum zugunsten des kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos fällt erneut in die Kategorie "Mutmachen". So wie 2015 für das tunesische Dialog-Quartett und 2009 für Barack Obama flocht das Komitee keinen Ehrenkranz für einen abgeschlossenen Friedensweg, sondern mischte sich in laufende Prozesse ein, die erst noch zu einem dauerhaften Ende von Kriegen und Konflikten führen müssen. Gerade bei Santos ist die Erleichterung über den Abschluss des Friedensabkommens zwischen Regierung und Rebellen längst überlagert vom Nein in der Volksabstimmung dazu. Santos‘ Friedenstaube hat sozusagen eine Bruchlandung vor dem Ziel hingelegt, und Oslo will sie mit der symbolmächtigen Auszeichnung nun wieder aufpäppeln.

Wäre es eine Auszeichnung für untadelige Lebenswerke, könnte der Preis für Santos nur irritieren: Vor seinem innenpolitisch riskanten und machtpolitisch gewagten Einsatz für die Verständigung und dem unbedingten Willen, den 52 Jahre tobenden und Hunderttausende Opfer kostenden Bürgerkrieg zu beenden, war Santos als Verteidigungsminister selbst verantwortlich für unsägliche Gewalt und unbarmherziges Blutvergießen. Die Kolumbianer erlebten sozusagen eine Wandlung vom Saulus zum Paulus.

Bedenken gegen Frieden aus dem Weg räumen

Das ist ganz im Sinne des Preisstifters. Alfred Nobel wollte "den besten oder größten Einsatz für Brüderlichkeit zwischen Staaten, für die Abschaffung oder Abrüstung von stehenden Heeren sowie für die Organisation und Förderung von Friedenskonferenzen" geehrt wissen. Dieser Anspruch ist geradezu bescheiden gegenüber dem, was Santos mit seinem ständigen Nachdruck auf eine Verständigungslösung erreicht hat. Dass die Protagonisten von Härte und Gerechtigkeit gegenüber den vielen Opfern nun Stimmung gegen die Zugeständnisse an die Rebellen machen und deshalb den Vertrag im Referendum zu Fall bringen konnten, beweist im Grunde, welchem Druck Santos in den Jahren der schwierigen Verhandlungen ausgehalten hat.

Farc-Rebellen lassen zwei weitere Geiseln frei
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Das erklärt auch, warum sich das Nobelpreis-Komitee dieses Mal nicht entschloss, beide Seiten des Verhandlungstisches zu ehren. Anders als beim israelisch-palästinensischen Friedensnobelpreis für Rabin, Peres und Arafat 1994 bekommt Santos die ungeteilte Auszeichnung, geht Farc-Friedensverhandler Rodrigo "Timoschenko" Londono leer aus. Dahinter steckt die Erwartung, dass es nun in erster Linie am Präsidenten liegt, die Bedenken gegen den Frieden vor allem im eigenen Lager aus dem Weg zu schaffen. Das überzeugt gerade in Zeiten, in denen Syrien in Schutt und Asche gebombt wird und man sich fragen müsste, ob es nicht einmal ein starkes Symbol wäre, in Zeiten des Krieges auf die Verleihung eines Friedenspreises zu verzichten. Doch das noch stärkere Symbol bleibt es, die zu stärken, die den Frieden voranbringen. Wie Santos.

(may)
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