Ermittlungen nach Anschlag in Kopenhagen Polizei stürmt Internetcafe und nimmt Verdächtige fest

Kopenhagen · Nach den Terroranschlägen in Kopenhagen laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Die Polizei hat den mutmaßlichen Attentäter zwischenzeitlich identifizieren können und vermutet, dass er die Pariser "Charlie Hebdo"-Anschläge nachahmen wollte.

Terror in Kopenhagen: Toter bei Schießerei bei Debatte über Islam
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Zudem gab es erste Festnahmen bei einer Razzia in einem Internetcafe.

Nach zwei Terroranschlägen in Kopenhagen binnen weniger Stunden hat die Polizei den mutmaßlichen Attentäter am Sonntagmorgen erschossen. Der Mann ist den Polizeiangaben zufolge wahrscheinlich für den Mord an einem Gast einer Diskussion über Meinungsfreiheit in einem Café und an einem jüdischen Wachmann vor einer Synagoge verantwortlich. Die Taten, mehr als fünf Wochen nach den Anschlägen auf die Karikaturisten der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" in Paris, lösten in vielen Ländern Bestürzung aus.

Dänemark will sich nicht von den Terroranschlägen einschüchtern lassen. "Es gibt viele Fragen, die die Polizei noch beantworten muss", sagte Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt. "Aber es gibt eine Antwort, die wir heute schon geben können. Und die lautet, dass wir unsere Demokratie verteidigen werden."

Schüsse und Flucht

Weiter sagte sie: "Es ist ein unendlich trauriger Morgen, an dem wir alle an die Opfer und ihre Angehörigen denken. Zwei unschuldige Menschen haben ihr Leben in der Folge einer zynischen Terroraktion gegen Dänemark verloren."

Der Attentäter hat nach Einschätzung der dänischen Polizei vermutlich die Anschläge von Paris vor gut fünf Wochen nachahmen wollen. Der Mann sei identifiziert worden, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Sie nannte aber weder seinen Namen, noch machte sie weitere Angaben zu seiner Person. Die dänischen Behörden gehen von einem Einzeltäter aus.

Die Vermutung, dass er Verbindungen zu Islamisten haben könnte, äußerte der Geheimdienst PET. "PET arbeitet auf Grundlage einer Theorie, dass der Täter möglicherweise von den Ereignissen in Paris inspiriert wurde", sagte Geheimdienstchef Jens Madsen. "Er könnte auch von Material inspiriert worden sein, das von (der Terrormiliz Islamischer Staat) und anderen veröffentlicht wurde."

Erste Festnahmen

Zahlreiche schwer bewaffnete Polizisten haben am Sonntag ein in der Nähe gelegenes Internetcafé gestürmt. Der Fernsehsender TV2 berichtete vor Ort, zwei Verdächtige seien festgenommen worden. Ein Polizeisprecher sagte dem Radiosender DR, die Razzia sei Teil der Ermittlungen.

Am Sonntag durchsuchte die Polizei mehrere Wohnungen in dem Viertel Nörrebro, in dem sie im Morgengrauen den mutmaßlichen Täter erschossen hatte. Nach Überzeugung der Ermittler handelt es sich um den Mann, der offenbar als Einzeltäter beide Anschläge verübte.

Journalisten und Zeichner als Ziele von Anschlägen
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Journalisten und Zeichner als Ziele von Anschlägen

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Foto: dpa, lb

Die dramatischen Stunden von Kopenhagen begannen am Samstag um 15.33 Uhr. Der junge Mann beschoss mit einer automatischen Waffe von außen das Kulturcafé, in dem eine Veranstaltung zum Thema "Kunst, Gotteslästerung und Freie Rede" stattfand. Ein Gast starb, Augenzeugen zufolge handelt es sich um den 55-jährigen Filmregisseur Finn Nørgaard, berichtet die Zeitung "Ekstra Bladet". Drei Polizisten wurden verletzt.

Dieses Fahndungsfoto hatte die Polizei bei Twitter veröffentlicht

Krudttønden: Fotoefterlysning! Hvem er denne mand? Ring 114. RT gerne. Tak. #politidk http://t.co/q4AS9A8eRR pic.twitter.com/I0hspYBwc5

Der Angriff in dem Kulturcafé galt vermutlich dem schwedischen Zeichner Lars Vilks. Islamisten kritisieren ihn seit Jahren wegen seiner Mohammed-Karikaturen. Er war bereits mehrfach Ziel von Anschlägen. Islamisten setzten ein Kopfgeld von 150.000 Dollar auf ihn aus. Vilks blieb bei dem Anschlag unverletzt. Er hatte sich mit einer Organisatorin der Diskussion in einem Kühlraum versteckt.

Nach dem Anschlag setzte eine Großfahndung ein. Der Attentäter flüchtete in einem dunklen VW Polo. Er stellte das Auto der Polizei zufolge ab. Per Taxi ließ er sich demnach in eine rund vier Kilometer entfernte Wohnung fahren. Etwa zehn Stunden nach dem ersten Anschlag eröffnete wahrscheinlich derselbe Täter nach Mitternacht das Feuer an einer rund 500 Meter von der Wohnung entfernten Synagoge.

Ein Mann wurde von einer Kugel tödlich in den Kopf getroffen - nach Angaben aus der jüdischen Gemeinde ein 37 Jahre alter Freiwilliger, der die Besucher am Eingang kontrollierte. Zwei Polizisten wurden verletzt. Zu einer Feier - der Bar Mizwa - waren in dem Gebäude rund 80 Menschen versammelt. Nach Angaben des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, Dan Rosenberg Asmussen, gelang es dem Angreifer nicht, in das Gebäude vorzudringen.

Gab es Helfer?

"Wir nehmen an, dass es derselbe Täter ist", sagte Chefpolizeiinspektor Torben Mølgård Jensen am Sonntagmorgen. "Aber es gibt derzeit noch sehr viele lose Fäden, die wir noch zu einem Bild weben müssen."

In der Zwischenzeit hatte die Polizei ihren Angaben zufolge Stellung vor einer Wohnung nahe des Bahnhofs Nørreport bezogen. Die Adresse habe sie von dem Taxifahrer bekommen, dessen Fahrgast der Mann war. Kurz vor 5 Uhr kehrte der Mann dorthin zurück. Die Sicherheitskräfte sprachen ihn an. Er eröffnete den Angaben zufolge sofort das Feuer. Die Beamten schossen zurück und trafen den mutmaßlichen Terroristen tödlich - gut 13 Stunden nach dem ersten Anschlag.

In der dänischen Hauptstadt herrschte zeitweise Panik und Chaos. Das Geschehen spielte sich in einem engen Umkreis in der Innenstadt ab.Doch die Lage war über Stunden völlig unklar. Auch die Bundespolizei war im Einsatz und überwachte an den drei Flensburger Grenzübergängen den Verkehr. Die Polizei vollzog die Spur des Mannes durch Videoaufzeichnungen von den einzelnen Schauplätzen nach.

Keine erhöhte Terrorgefahr

Nähere Einzelheiten zu dem Attentäter waren zunächst nicht bekannt. Nach dem ersten Anschlag hatte die Polizei eine Fahndung nach einem etwa 25 bis 30 Jahre alten Mann arabischen Aussehens ausgelöst. Bilder aus einer Überwachungskamera zeigten einen dunkel gekleideten Mann mit roter Mütze.

Das Bundesinnenministerium sieht keine erhöhte Terrorgefahr in Deutschland. Es gebe nach wie vor eine abstrakt hohe Gefährdung. Der Karnevalsumzug in Braunschweig wurde am Sonntag kurz vor dem Start wegen Hinweisen auf mögliche Terroranschläge abgesagt.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte die Juden in Europa zur Auswanderung in den jüdischen Staat auf: "Juden wurden auf europäischem Boden ermordet, nur weil sie Juden waren." Der britische Premierminister David Cameron zeigte sich betroffen. Die USA boten Dänemark ihre Hilfe an.

Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve machte sich auf den Weg in die dänische Hauptstadt. Unter den Besuchern des Kulturcafés war auch der französischen Botschafter François Zimeray. Er blieb unverletzt.

(dpa)
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