Lockerung der Anti-Korruptionsgesetze in Rumänien Zehntausende gehen erneut gegen Regierung auf die Straße

Bukarest · In Rumänien haben am Donnerstagabend den dritten Tag in Folge Zehntausende Menschen gegen die sozialliberale Regierung demonstriert. Der Protest richtet sich gegen eine per Eilverordnung eingeführte Einschränkung der Strafverfolgung bei Amtsmissbrauch.

 Hunderttausende protestierten in Rumänien gegen die Lockerung des Anti-Korruptionsgesetzes.

Hunderttausende protestierten in Rumänien gegen die Lockerung des Anti-Korruptionsgesetzes.

Foto: dpa, vge

In der Hauptstadt Bukarest ließen sich die Menschen nicht von den Krawallen vom Vorabend abschrecken: Der gut einen Hektar große Platz vor dem Regierungssitz war voller Demonstranten. Die Polizei machte zu Teilnehmerzahlen keine Angaben. Zunächst blieben die landesweiten Demonstrationen am Donnerstag friedlich. Am Vorabend hatte eine kleine Gruppe Randalierer in Bukarest Polizisten angegriffen.

Die Kritiker der Regierung monieren, dass durch die Eilverordnung der wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch angeklagte Vorsitzende der mitregierenden Sozialdemokraten (PSD), Liviu Dragnea, geschützt werden soll. Ministerpräsident Sorin Grindeanu, der als Dragneas Marionette gilt, lehnte am Donnerstag erneut eine Abschaffung der umstrittenen Verordnung ab.

Nach den bislang größten Massenprotesten gegen die Lockerung des Anti-Korruptionsgesetzes vom Mittwoch war der Druck auf die Regierung gewachsen. Handelsminister Florin Jianu reichte am Donnerstag aus Gewissensgründen seinen Rücktritt ein. Präsident Klaus Iohannis klagt beim Verfassungsgericht gegen die Eilverordnung.

Die Regierung will die Verfolgung von Korruption lockern. Für zahlreiche Politiker würde sich das positiv auf ihre Strafen auswirken. Allein in der Hauptstadt Bukarest protestierten am Mittwochabend trotz eisiger Temperaturen mindestens 100.000 Menschen, viele riefen "Diebe" und Rücktritt. Es war die größte Kundgebung dort seit dem Ende des Kommunismus. Auch in den Städten Cluj, Timisoara und Sibiu machten tausende Demonstranten ihrem Ärger Luft.

In Bukarest kam es zu vereinzelten Zusammenstößen mit der Polizei. Eine kleine Gruppe von Fußball-Hooligans warf mit Flaschen und Feuerwerkskörpern, Polizisten setzten Tränengas ein. 20 Menschen wurden in Gewahrsam genommen, fünf Menschen wurden verletzt.

Angesichts der Massenproteste wurden in der Regierung erste Risse sichtbar. Handelsminister Jianu erklärte auf seiner Facebook-Seite, er habe bereits nach Verabschiedung des Dekrets über einen Rücktritt nachgedacht, nun folge er "seinem Gewissen" und hoffe, dass die Regierung "den Anstand hat, ihren Fehler zu korrigieren".

Der neue sozialdemokratische Ministerpräsident Sorin Grindeanu lehnte ein Einlenken gegenüber den Demonstranten aber ab. "Wir leben in einer Zeit, in der die Manipulation ein alarmierendes Ausmaß erreicht hat", erklärte er in der Nacht. Nach Beratungen der Regierungspartei PSD erklärte er am Donnerstagnachmittag, die Regierung werde ihren Weg weiter gehen.

Justizminister Florin Iordache rechtfertigte das Dekret zur Lockerung der Anti-Korruptionsgesetze: An dem Erlass sei "nichts geheim, illegal oder unmoralisch". Seinen Rücktritt, wie von den Demonstranten gefordert, lehnte er ab. Gleichzeitig aber kündigte Iordache an, die laufenden Amtsgeschäfte eine Woche lang an seinen Staatssekretär Constantin Sima zu übertragen. Einen Grund für den Schritt nannte er nicht.

Die sozialdemokratische Regierung hatte am Dienstagabend per Dekret mehrere Vergehen für straffrei erklärt. Amtsmissbrauch wird zudem nur noch mit Gefängnis bestraft, wenn der Streitwert über 44.000 Euro liegt. Darüber hinaus legte die Regierung dem Parlament ein Gesetzesvorhaben zur Amnestie von Straftätern vor, die zu weniger als fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurden.

Von der Haftentlassung würden rund 2500 Häftlinge profitieren — darunter mehrere Politiker, die wegen Korruption in Haft sitzen. Auch der Vorsitzende der regierenden PSD, Liviu Dragnea, würde durch die abgeschwächten Strafen vor weiterer Strafverfolgung geschützt. Der 54-Jährige steht derzeit wegen Amtsmissbrauchs mit einem Schaden in Höhe von 24.000 Euro vor Gericht. Davor war er schon einmal wegen Wahlbetrugs von allen Ämtern ausgeschlossen worden.

Rumäniens Präsident Klaus Iohannis zeigte sich am Donnerstag "beeindruckt" von den Protesten. Der konservative Staatschef, der mit dem Versprechen angetreten war, das ärmste EU-Land während seiner fünfjährigen Amtszeit von Korruption zu befreien, rief das Verfassungsgericht wegen des Dekrets an. Er fordert dessen Annullierung, bevor es "Konsequenzen" haben werde. Bereits am Vortag hatte die Justizaufsicht Beschwerde beim Verfassungsgericht eingelegt.

Wann sich die Richter mit den Klagen befassen werden, war zunächst noch unklar. Gegner des Dekrets hoffen, dass sie noch vor dem 10. Februar ein Urteil fällen werden, dem Datum, an dem die Lockerungen in Kraft treten sollen.

Das Auswärtige Amt riet Rumänien-Reisende zur Umsicht:. "Es ist nicht auszuschließen, dass die Proteste anhalten und es zu weiteren Ausschreitungen kommt."

(rent/AFP)
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