Linke warnt vor Milliardenhilfe Krim-Krise: EU plant Sanktionen in drei Stufen

Brüssel · Die Europäische Union hat erste Strafmaßnahmen gegen Moskau verhängt. Das Krim-Parlament stimmte für den Anschluss an Russland.

Halbinsel Krim - seit Jahrhunderten umkämpft
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Foto: afp, jd/dg

Arseni Jazenjuk nutzte die Brüsseler Bühne bestens. Gleich zu Beginn machte er bei seinem Besuch klar, dass er nicht mit leeren Händen nach Hause fahren will. "Dies ist nicht nur eine ukrainisch-russische Krise, dies ist eine Krise in Europa", sagte der ukrainische Übergangsregierungschef gestern bei einem gemeinsamen Auftritt mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. "Wir müssen gemeinsam handeln, und wir müssen verstehen, dass dies unsere gemeinsame Verantwortung ist." Soll heißen: Europa muss jetzt liefern.

Dann entschwand er zum Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs. Die verstanden sehr wohl und sagten ein Hilfspaket von elf Milliarden Euro zu. Rund 1,6 Milliarden davon sollen schnell fließen. Denn um das Land zu stabilisieren, müssen bis zu den Wahlen Ende Mai erste Erfolge sichtbar sein. Sein Land befinde sich in einer "verzweifelten finanziellen Notlage", so Jazenjuk. Der Kreml hatte dem damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch für die Absage an die EU beim Assoziierungsabkommen elf Milliarden Euro Hilfe versprochen — die Zusage aber nach der pro-westlichen Revolution zurückgezogen.

Julia Timoschenko spricht in Dublin vor Delegierten
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Trotz der fieberhaften diplomatischen Bemühungen spitzte sich die Krim-Krise gestern weiter zu: Das Parlament der Halbinsel beschloss einstimmig den Anschluss an Russland und forderte ukrainische Truppen zum Verlassen der Region auf. Der stellvertretende Ministerpräsident der Krim, Rustam Temirgaliew, kündigte an, am Sonntag nächster Woche solle die überwiegend russischstämmige Bevölkerung entscheiden, ob die Region Teil der Ukraine bleibe oder an Russland angegliedert werde. Der Parlamentsbeschluss über die Abspaltung gelte aber ab sofort. Die einzig legitimen Streitkräfte auf der Krim seien die russischen Truppen, sagte Temirgaliew. Ukrainische Soldaten würden fortan als Besatzer betrachtet.

Das sei illegal, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Brüssel und warnte, wenn Russland weiter Destabilisierungsmaßnahmen wie Militäraktionen auf der Krim unternehme, werde es zu einer weitreichenden Veränderung der Beziehungen zu Moskau kommen. Das könne wirtschaftliche Konsequenzen bedeuten. "Wir wünschen uns das nicht", betonte Merkel. Auf Nachfrage wollte sie diese Konsequenzen nicht konkretisieren.

EU-Parlamentspräsident Herman Van Rompuy drohte damit, Verhandlungen über Visa- Erleichterungen und über ein neues Rahmenabkommen für die Beziehungen zwischen Brüssel und Moskau auszusetzen. Auch der nächste geplante Gipfel mit Russland stehe infrage. Unter den EU-Ländern ist umstritten, wie hart die Strafmaßnahmen gegen Russland sein sollen. Länder wie Deutschland, die Niederlande und Österreich wollen nicht durch zu harte Maßnahmen schon jetzt alle diplomatischen Kanäle für eine politische Lösung verschließen. Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite warf den Partnern dagegen vor, nicht entschlossen genug auf die "russische Aggression" in der Ukraine zu reagieren. Moskau wolle die Nachkriegsgrenzen Europas neu ziehen: "Europa versteht immer noch nicht, was passiert." Auch wegen dieser Meinungsverschiedenheiten dauerte der Gipfel drei Stunden länger als geplant.

Die nächste Eskalationsstufe wären Einreiseverbote und Kontensperrungen. Sie sollen beschlossen werden, wenn es in den nächsten Tagen keine Fortschritte auf der diplomatischen Ebene bei der Einrichtung einer internationalen Kontaktgruppe gibt. Als dritte und letzte Eskalationsstufe droht die EU Russland mit Wirtschaftssanktionen. Maßnahmen wie Aus- und Einfuhrverbote für Waren sind besonders umstritten, auch weil viele Europäer die Gegenmaßnahmen der Russen fürchten. Deutschland etwa bezieht aus Russland rund 35 Prozent des Gasbedarfs und mehr als 30 Prozent des benötigten Öls.

Die USA verhängten gestern bereits Einreiseverbote und Kontensperrungen — eine Namensliste wurde jedoch nicht verabschiedet. Das heißt: Obama droht, aber lässt noch nicht eskalieren, weil er den Beschluss noch nicht anwendet. Die US-Luftwaffe, zurzeit im Wechsel mit anderen Nato-Staaten für die Sicherung des Luftraums von Estland, Lettland und Litauen zuständig, verstärkte gestern ihre vier F-15-Jets im Baltikum durch sechs weitere Jagdbomber aus Spangdahlem in der Eifel und ein Tankflugzeug.

Die Linke im Bundestag hat die EU davor gewarnt, der Ukraine Milliarden als Soforthilfe zur Verfügung zu stellen. "Die EU-Kommission und die EU-Regierungschefs haben offensichtlich ihr moralisches Koordinatenkreuz komplett verloren", sagte Fraktionsvize Sahra Wagenknecht unserer Zeitung. Es sei jetzt weder der Zeitpunkt für Milliardenkredite für die ukrainische Regierung unter Beteiligung von Rechtsextremisten noch für Sanktionen gegen Russland.

(-may)
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