Die Schlüsselrolle der Schwarzmeerflotte Tausende russische Soldaten sind schon längst auf der Krim

Die Krim ist ein Sprengsatz. Dass Russland sie aufgibt, erscheint unvorstellbar. Unauflöslich sind dort die Interessen des Kreml mit dem Gebiet der Ukraine verwoben. Eine Schlüsselrolle spielt die russische Schwarzmeerflotte, die dort mit angeblich 16.000 Soldaten stationiert ist.

Krim: Tausende russische Soldaten sind schon längst in der Ukraine
Foto: afp, ski

Die Krim ist ein Sprengsatz. Dass Russland sie aufgibt, erscheint unvorstellbar. Unauflöslich sind dort die Interessen des Kreml mit dem Gebiet der Ukraine verwoben. Eine Schlüsselrolle spielt die russische Schwarzmeerflotte, die dort mit angeblich 16.000 Soldaten stationiert ist.

Nach der Machtübernahme in der Ukraine ist die Lage auf der Krim zum Zerreißen gespannt. Am Freitag hieß es, russische Marinesoldaten hätten den Flughafen in der Hafenstadt Sewastopol besetzt. Quelle der Vorwürfe: der ukrainische Innenminister Arsen Awakow. Ein Sprecher der Schwarzmeerflotte wies dies laut Nachrichtenagentur Interfax zurück. Augenzeugen berichteten, vor dem Flughafen seien Flaggen der russischen Schwarzmeerflotte zu sehen.

Zeitgleich fürchten Angehörige der russischen Bevölkerung auf der Krim um ihre Zukunft. 60 Prozent sind es, die auf ukrainischem Gebiet leben, aber russisch sprechen und sich Moskau verbunden fühlen. Der am vergangenen Wochenende verjagte Präsident Viktor Janukowitsch holte dort bei den letzten Wahlen 80 Prozent der Stimmen. Nun befürchten sie, die neuen Machthaber könnten ihre Sonderrechte beschneiden.

Die Brisanz der Lage auf der Krim kommt auch im politischen Status der Halbinsel zum Ausdruck. Die Krim gehört nur bedingt zum Territorium der Ukraine. Sie besitzt den Status einer autonomen Region mit eigenem Parlament.

Ein Herzstrück für Moskaus Strategien

Wieder also die Krim. Umstritten ist sie schon seit Jahrhunderten. Das verdankt die Halbinsel nicht nur den gemischten Ethnien, sondern auch ihrer geopolitischen Lage. Wie ein Brückenpfeiler ragt sie aus dem Süden der Ukraine in das Schwarze Meer. Zudem dienst sie als geographischer Riegel: Wer die Krim kontrolliert, kontrolliert auch den Zugang zum Asowschen Meer und damit einem Teil der russischen Küste. Im Osten liegt nahe gegenüber die russische Küste.

Allein deswegen ist sie für Moskaus militärstrategische Pläne ein unverzichtbares Herzstück. Die traditionsreiche Schwarzmeerflotte ist dort laut Wikipedia mit 16.0000 Soldaten und 40 Schiffen stationiert. Die schon im 18. Jahrhundert errichtete Militärbasis in Sewastopol dient ihnen untere anderem als Brückenkopf für den Zugang zum Mittelmeer.

Das Misstrauen hat Tradition

Angesichts dieser Tradition genießt Sewastopol einen Sonderstatus. Die Stadt zählt mit ihren 380.000 Einwohnern nicht zum Autononomiegebiet, sondern untersteht direkt der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Mit allen Konsequenzen, die sich auch aus einem Machtwechsel ergeben. Der Stadtrat von Sewastopol gilt übrigens als so moskau-treu, dass er sogar ein eigentlich dringend benötigtes Darlehen einer europäischen Entwicklungsbank ablehnte, um nicht zu eng mit Europa verbandelt zu werden.

Die komplizierten Beziehungen haben Tradition. Während der Amtszeit Julia Timoschenkos war mitunter von Schikanierungen durch ukrainische Behörden die Rede. Angehörigen der Marine wurde demnach angeblich das Leben zur Hölle gemacht, indem unerträgliche Wohnbedingungen geschaffen wurden. Ganz offensichtlich treibt auch diese Sorge in diesen Stunden die Russen der Krim auf die Straße.

Rauchbomben im Parlament

Dabei ging es der damaligen Regierung in Kiew wohl um knallharte finanzielle Interessen. Die russische Enklave auf ukrainischem Grund und Boden diente ihnen als Faustpfand für Verhandlungen. Schon einmal hat das als Gegengewicht im Feilschen mit Moskau prächtig funktioniert.

Als Moskau mit Kiew wieder einmal über Gaspreise stritt, wurde auch eine Erhöhung der Pacht ins Gespräch gebracht. Immer wieder diente die Schwarzmeerflotte ukrainischen Politikern als Ziel rhetorischer Angriffe.Erst 2010 beruhigte sich die Lage, als Janukowitsch mit dem damaligen russischen Kremlchef Dimitri Medwedew einen langfristigen Deal aushandelte: Der Schwarzmeerflotte wurde ein Bleiberecht bis 2042 zugesichert, dafür erhielt die Ukraine einen 30-prozentigen Preisnachlass beim Gas. Freilich blieb die Einigung umstritten. Im Parlament kam es damals zu Krawallen, Oppositionspolitiker warfen Rauchbomben.

Die Militärdoktrin lässt Spielraum

Beide Konfliktparteien können sich derzeit nicht sicher sein, inwieweit die geltenden Verträge angesichts eines revolutionären Umbruchs in Kiew auch weiterhin Gültigkeit besitzen werden. Moskau sieht sich jedenfalls in der Pflicht, seine Interessen und die Sicherheit seiner Landsleute zu schützen. "Es besteht eine reale Gefahr für unsere Interessen - sowie für das Leben und Gesundheit unserer Landsleute", warnte bereits Mitte der Woche Regierungschef Medwedew.

Moskaus Militärdoktrin würde eine Intervention zum Schutz eigener Bürger im Ausland erlauben. Medwedew selbst ließ diese Möglichkeit noch in seiner Zeit als Kremlchef schaffen - nach dem Südkaukasuskrieg 2008, als Georgien im Konflikt mit Russland die Kontrolle über seine abtrünnigen Territorien Südossetien und Abchasien verlor.

(pst)
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