Proteste gegen Russland-Wahl im Netz Manche träumen schon vom #russianspring
Moskau · Wladimir Putin beweist in diesen Tagen einmal mehr, wie lupenrein sein Verständnis von Demokratie ist. Russlands Staatsmacht geht mit aller Härte gegen die Demonstranten vor, die gegen die offensichtlichen Wahlfälschungen am vergangenen Wochenende demonstrieren. Aber auch im Internet wächst der Widerstand. Manche träumen schon vom russischen Frühling nach dem Vorbild der Arabischen Revolution.
Wahlbetrug, Vetternwirtschaft, Unterdrückung von Bürgerechten, Korruption, Selbstherrlichkeit: Die Auslöser für den Arabischen Frühling, der in Libyen, Marokko und Tunesien zum Sturz der Regime führten, waren zahlreich. Der Wunsch nach Demokratie und Freiheit infizierte Hunderttausende Menschen. Die Bürger gingen auf die Straße und kämpften für ihr Recht.
Nach Umsturz sieht es in Russland knapp eine Woche nach dem Urnengang noch nicht aus. Aber die Putin-Gegner demonstrieren ihre Stärke. Allen Repressionen zum Trotz kündigte ein Bündis für diesen Samstag eine Großdemonstration in Moskau an. Die Behörden genehmigten den Protest — zumindest vorerst. Es wird erwartet, dass bis zu 30.000 Menschen auf die Straße gehen.
Das russische Facebook
Die Putin-Gegner setzen wie die Regierungsgegner im Maghreb auf das Internet, um ihre Aktionen zu planen. Im Mittelpunkt: Wkontakte, eine russische Version von Facebook: Über 100 Millionen Nutzer sind dort registriert, zwei Drittel von ihnen leben in Russland. Hier berichten Augenzeugen über Fälschungen in ihrem Wahllokal, hier verbreiten sich Nachrichten über die Bewegungen von Sondereinheiten der Polizei ebenso schnell wie die Infos über geplante Demonstrationen.
Neuerdings interessiert sich der Inlandsgeheimdienst FSB intensiv für das Forum.
Die Ermittler setzen die St. Petersburger Netzwerk-Zentrale unter Druck. "In den vergangenen Tagen bittet uns der FSB, oppositionelle Webseiten zu blockieren, darunter auch Ihre", schrieb Wkontakte-Gründer Pawel Durow an den Aktivisten einer Anti-Korruptionsseite: "Wir machen das grundsätzlich nicht. Ich weiß nicht, wie das für uns endet, aber wir bleiben standhaft." Der FSB habe darum gebeten, Gruppen auszuschalten, die zu Straßenprotesten und Revolution aufrufen.
Hashtag #russianspring
Auch beim Nachrichtendienst Twitter ist Russland in diesen Tagen ein großes Thema. Hier sind vor allem im Ausland lebende Russen und Nutzer aus aller Welt, die sich unter den Hashtags (Stichworten) #Putin und #Russia austauschen. Seit einigen Tagen kursiert auch das Hashtag #russianspring — eine deutliche Anspielung auf den Arabischen Frühling.
Perfektioniert hat den Widerstand im Netz der Internet-Aktivist Alexej Nawalny. Der berühmteste Blogger des Landes, schaffte es sogar auf die Titelseite der russischen Ausgabe des Hochglanz-Magazins "Esquire".
Der Jurist und Vater zweier Kinder hatte während des Wahlabends Berichte über Fälschungen aus dem ganzen Land getwittert und Videos weitergeleitet. In einer Rede am Abend bezeichnete er Putin öffentlich als Dieb. Schon seit langem berichtet der Blogger auf der Internet-Seite rospil.info über Korruptionsfälle in Russland. Er gilt als Gesicht des jungen, modernen Russlands.
Im Visier der Justiz
Feinde in der Regierung hat Nawalny viele — und so geriet er bereits ins Visier der Justiz. Nawalny soll bei einem Holzgeschäft betrogen haben. Seine Unterstützer sind sicher, dass es sich um einen politischen motivierten Komplott handelt. Im Land des lupenreinen Demokraten ein Verdacht, der nicht aus der Luft gegriffen scheint.
Seit Montag sitzt der Mann im Gefängnis. 15 Tage Gefängnis wegen "Nichtbefolgung einer Anordnung der Vertreter der Staatsmacht" lautete das Urteil. Nawalny war bei einer Demo verhaftet worden. Bei Twitter machen seine Anhänger weiter. Mit den Hashtags #Putin, #Russia und manchmal auch: #russianspring.