Lange Haftstrafe für Wikileaks-Informanten Manning bittet Obama um Gnade

Fort Meade · Im Prozess um einen der größten Fälle von Geheimnisverrat in der US-Geschichte ist der Wikileaks-Informant Bradley Manning zu 35 Jahren Haft verurteilt worden. Bei guter Führung könnte er aber in weniger als zehn Jahren wieder freikommen. Jetzt will der junge Mann ein Gnadengesuch bei US-Präsident Barack Obama einreichen.

Der schmächtige Manning stand mit fahlem Gesicht zwischen seinen Anwälten, als Richterin Denise Lind das Strafmaß verkündete. Vor seiner Entlassung aus der Armee wurde Manning zum einfachen Gefreiten degradiert, außerdem verliert er seine Sold- und Pensionsansprüche. Die Militärrichterin blieb aber hinter den Forderungen der Anklage zurück, die mindestens 60 Jahre Haft verlangt hatte.

Lind legte fest, dass Mannings bisherige Zeit hinter Gittern seit Mai 2010 sowie 112 Tage wegen schlechter Haftbedingungen von der Gefängnisstrafe abgezogen werden. Wenn er ein Drittel der Strafe abgesessen hat, darf Manning einen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen - und könnte so in gut neun Jahren wieder freikommen. Außerdem wird seine Verurteilung automatisch von einem Berufungsgericht überprüft.

Mit Blick auf die mögliche vorzeitige Haftentlassung sprach Wikileaks-Gründer Julian Assange von einem "entscheidenden strategischen Sieg". Viele Bürgerrechts- und Menschenrechtsorganisationen übten aber heftige Kritik an dem Strafmaß. Die US-Bürgerrechtsgruppe ACLU erklärte, das Urteil sei eine schlechte Nachricht "für alle Amerikaner, die für eine sachkundige öffentliche Debatte auf mutige Informanten und eine freie Presse angewiesen sind".

Nach Angaben seines Verteidigers David Coombs hofft Manning auf eine Begnadigung durch US-Präsident Barack Obama. In einer Botschaft von Manning an Obama, die der Anwalt verlas, hieß es: "Wenn Sie meine Bitte um Gnade ablehnen, dann werde ich meine Zeit absitzen in dem Wissen, dass man manchmal einen hohen Preis bezahlen muss, um in einer freien Gesellschaft zu leben."

Das Weiße Haus reagierte kühl. Sollten Manning oder seine Anwälte ein Gnadengesuch einreichen, dann werde dies "wie jedes andere Gesuch" geprüft, sagte Obamas Sprecher Josh Earnest.

Für seine Unterstützer ist Manning ein Held, der mit den Enthüllungen ein Schlaglicht auf die dunklen Seiten der US-Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan warf. Obamas Regierung sieht ihn dagegen als Verräter, der die Sicherheit von US-Soldaten aufs Spiel setzte.

Manning hatte der Enthüllungswebseite Wikileaks hunderttausende Militärdokumente und diplomatische Depeschen zugespielt, die er zwischen November 2009 und Mai 2010 während einer Stationierung im Irak von Armeerechnern heruntergeladen hatte. Ende Juli erklärte das Gericht in Fort Meade ihn in 20 von 22 Anklagepunkten für schuldig, darunter Spionage. Vom besonders schwerwiegenden Vorwurf der Unterstützung des Feinds wurde er aber freigesprochen.

Auf Kritik stieß das Strafmaß für Manning auch beim Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning (FDP). "Wir brauchen eigentlich ein Signal der Ermutigung für Leute, die Verbrechen aufdecken wollen, und da ist dieses Urteil sicher kein Signal der Ermutigung", sagte Löning im Südwestrundfunk.

(AFP)
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