Die Piratin über die Proteste in ihrer Heimat Ukraine Weisband: "Klitschkos Rolle wird in Deutschland überschätzt"

Berlin · Eine blutige Nacht, ein Waffenstillstand und erneute Zusammenstöße sowie Tote – die Ukraine kommt auch in diesen Stunden nicht zur Ruhe. Eine, die die Lage vor Ort sehr genau beobachtet, ist die Piratin Marina Weisband. Die gebürtige Ukrainerin war bis Sonntag vor Ort, nun twittert sie über das Geschehen. In einem Interview sagte sie: "Ich schäme mich fast, wieder zu Hause zu sein."

 Marina Weisband ist in der Ukraine geboren.

Marina Weisband ist in der Ukraine geboren.

Foto: Bernd von Jutrczenka

Eine blutige Nacht, ein Waffenstillstand und erneute Zusammenstöße sowie Tote — die Ukraine kommt auch in diesen Stunden nicht zur Ruhe. Eine, die die Lage vor Ort sehr genau beobachtet, ist die Piratin Marina Weisband. Die gebürtige Ukrainerin war bis Sonntag vor Ort, nun twittert sie über das Geschehen. In einem Interview sagte sie: "Ich schäme mich fast, wieder zu Hause zu sein."

"Meine Heimatstadt brennt" — immer wieder sind diese Worte im Twitter-Account von Marina Weisband zu lesen, wenn sie etwa jemand zu einem anderen Thema als die Ukraine befragt. Denn die frühere Geschäftsführerin der Piraten ist in der Ukraine geboren, hat auch einen ukrainischen Pass und war bis zum Sonntag selbst vor Ort, um sich ein Bild von der Lage dort zu machen. Auch wenn sie zurück ist: Über Twitter und Facebook teilt sie der Welt ihre Eindrücke mit und berichtet, was auf dem Maidan passiert.

Für ihren Einsatz bekommt sie via Twitter auch dank von politischen Kollegen — etwa vom außenpolitischen Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, oder von der Grünen-Fraktionschefin. Kathrin Göring-Eckardt. Weisbands Tweets selbst merkt man an, wie sehr sie das beschäftigt, was in ihrer Heimat passiert. Und sie will auch nochmal in ihre Heimat reisen, wie sie im Interview mit Spiegel Online und auch im Gespräch mit jetzt.de, das Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung sagt. Im Moment allerdings hält sie ihre Einreise für zu gefährlich — auch weil sie zu den Oppositionellen auf dem Maidan gesprochen hat.

"Es tut mir weh, nicht dort zu sein", sagt die Piratin jetzt.de. Doch sie hört nicht auf, zu berichten, sagt in dem Interview, dass sie via SMS und Facebook mit den Leuten vor Ort Kontakt halte, dass sie die russischsprachigen und ukrainischen Tweets verfolge, ukrainisches Radio höre und parallel auch noch drei Streams schaue. Und sie ruft die Welt auf, nicht wegzuschauen.

Je mehr die Welt auf den #EuroMaidan schaut, desto sicherer ist er. Ihr rettet Menschenleben durch hinsehen.

Sie selbst habe vor Ort ein gemischtes Bild der Menschen auf dem Maidan erlebt, sagt sie Spiegel Online. "Da waren Nationalisten, Ultralinke, Rentner. Auf der Bühne wurden Gedichte vorgetragen, am Rande an Barrikaden gearbeitet. Die Lage war noch ruhig." Sie beschreibt, dass jeder Zweite maskiert gewesen sei und improvisierte Schutzkleidung getragen habe.

Im Gespräch mit jetzt.de fügt sie noch hinzu, dass es, als sie vor Ort war, zwar friedlich war, aber alle von einer Ruhe vor dem Sturm gesprochen hätten. "Es wussten also alle, dass etwas passieren wird. Aber nicht, dass es so bald passiert."

Viele können die Oppositionspolitiker und ihre ewigen Reden von der Bühne nicht mehr hören. Nicht hinter ihnen versammeln sich die Leute.

Weisband betont immer wieder — sowohl via Twitter als auch in den beiden Interviews — dass die Oppositionsparteien, zu denen eben auch Vitali Klitschko, zwar ein Teil der Proteste seien, aber nicht die Speerspitze. "Klitschkos Rolle wird in Deutschland überschätzt", sagte sie Spiegel Online. Er werde als Figur kaum ernst genommen. Er spreche kaum ukrainisch, sage bei seinen Auftritten nur wenige Sätze. "Die Leute sind gegen Korruption auf die Straße gegangen", fügt sie hinzu. Von der unabhängigen Bürgerbewegung "glauben die meisten, die Oppositionsparteien würden sich genauso korrupt wie die jetzige Regierung verhalten, kämen sie an die Macht." Und so twittert auch sie:

Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass für mich mit Neuwahlen alles gut wäre. #EuroMaidan

Aber sie weiß auch, dass die Menschen auf dem Maidan nicht so schnell aufgeben werden. "Die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sehen keinen Sinn darin, vom #EuroMaidan zu weichen. Sie wollen in diesem Land nicht mehr leben", schreibt sie in einem ihrer Tweets.

(das)
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