Niederländischer Premierminister Rutte "Erdogans Nazi-Äußerungen sind verrückt und unangebracht"

Den Haag · Mark Rutte, der niederländische Ministerpräsident, hat die Nazi-Vorwürfe des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen seine Regierung als "verrückt" und "unangebracht" zurückgewiesen.

Der niederländische Premierminister Marc Rutte bei seiner Wahlkampfveranstaltung in Breda.

Der niederländische Premierminister Marc Rutte bei seiner Wahlkampfveranstaltung in Breda.

Foto: ap, PDJ

Rutte sagte am Samstag am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Breda vor Journalisten, er verstehe, dass die türkische Regierung über das von den Niederlanden ausgesprochene Einreiseverbot für ihren Außenminister Mevlüt Cavusoglu erzürnt sei. Dennoch seien Erdogans Äußerungen "unangebracht".

Erdogan sagte wenige Stunden zuvor bei einer Veranstaltung in Istanbul, das niederländische Einreiseverbot für Cavusoglu sei ein "Relikt" des Nationalsozialismus. Er drohte mit Landeverboten für niederländische Flugzeuge in der Türkei. "Sie sind Faschisten", sagte Erdogan. "Hindert unseren Außenminister am Fliegen soviel Ihr wollt, aber von nun an werden wir sehen, wie Eure Flüge in der Türkei landen!" Er warf den Niederlanden vor, dass sie "Terroristen unterstützen".

Die Niederlande untersagten Cavusoglu die Einreise zu einem Werbeauftritt für das Präsidialsystem in der Türkei. Grund für die Verweigerung der Landeerlaubnis sei, dass die türkischen Behörden öffentlich Sanktionen angedroht hätten, sollte Cavusoglu nicht in den Niederlanden auftreten dürfen, teilte die Regierung in Den Haag mit.

Nach der Abfuhr in den Niederlanden wird Cavusoglu an diesem Sonntag zu einem Wahlkampfauftritt in Frankreich erwartet. Der Minister werde bei einer Veranstaltung in der ostfranzösischen Stadt Metz sprechen, berichtete am Samstagabend die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf die Präfektur des zuständigen Verwaltungsbezirks. Die von einem örtlichen türkischen Verband organisierte Veranstaltung sei vom französischen Außenministerium genehmigt worden.

Nach türkischen Angaben startete Cavusoglu bereits am Samstagabend nach Frankreich. Für Sonntag war auch ein Besuch des Ministers in Zürich geplant. Unterdessen berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu, die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya wolle mit dem Auto von Düsseldorf nach Rotterdam fahren.

Unterdessen hat die EU damit begonnen, die im Rahmen der Beitrittsverhandlungen vorgesehene Unterstützung für die Türkei zurückzufahren. Nach Angaben des zuständigen EU-Kommissars Johannes Hahn wurden Programme eingestellt, die zuletzt nicht die erwünschten Fortschritte brachten. Von den 4,45 Milliarden Euro, die für den Zeitraum 2014 bis 2020 für die Türkei zur Verfügung stunden, seien zuletzt gerade einmal 167,3 Millionen Euro ausbezahlt gewesen, sagte Hahn in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Der Österreicher machte gleichzeitig deutlich, dass es rechtlich derzeit nicht möglich wäre, die sogenannten Vorbeitrittshilfen einfach ganz einzufrieren. Dazu müssten die 2005 gestarteten EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei offiziell gestoppt werden.

"Die überwiegende Mehrheit der EU-Außenminister hat sich im Dezember dafür ausgesprochen, den Dialog mit der Türkei weiter zu führen und gemeinsam an der Behebung der rechtsstaatlichen Defizite zu arbeiten", sagte Hahn. Wie er selbst seien auch die meisten EU-Staaten der Meinung, dass es falsch wäre, alle Kommunikationskanäle zu schließen.

"Dann hätten wir überhaupt keinen Reformhebel mehr", sagte Hahn. Weil derzeit niemand neue Verhandlungsbereiche eröffnen werde, seien die Gespräche ohnehin "de facto zum Stillstand gekommen".

In Reaktion auf die jüngsten Ereignisse in der Türkei hat Hahn nach eigenen Angaben angeordnet, die EU-Hilfen verstärkt für Programme zur Verfügung zu stellen, die zum Beispiel die Zivilgesellschaft, die Demokratie-Entwicklung und Bildung und Wissenschaft stärken. "Immerhin ein Drittel der Mittel wird bereits auf meine Anweisung hin in diese Bereiche investiert - und diese Umorientierung läuft weiter", sagte er. Zudem seien alle Zahlungen "selbstverständlich an strikte Bedingungen gebunden, deren Einhaltung wir strengstens kontrollieren."

Die Europäische Union ist seit Monaten äußert besorgt über den politischen Kurs der Türkei. Vor allem das Vorgehen der Behörden gegen Oppositionspolitiker und Journalisten wird als inakzeptabel erachtet. "Die Türkei bewegt sich im Moment leider nicht auf Europa zu, sondern von Europa weg", kommentierte Hahn.

(felt/dpa/AFP)
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