Marseille Ermittler nehmen Verdächtige nach Messerattacke fest

Paris/Rom · Zwei Tage nach der tödlichen Messerattacke in Marseille sind vier Verdächtige festgenommen worden. Die Ermittler nahmen sie wegen der möglichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in Gewahrsam.

 Ein Polizist steht vor dem Bahnhof Saint-Charles in Marseille Wache.

Ein Polizist steht vor dem Bahnhof Saint-Charles in Marseille Wache.

Foto: dpa, joh wie

Das bestätigten Justizkreise am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Es gab zudem laut Medienberichten mehrere Durchsuchungen in Marseille.

Ein 29-jähriger Tunesier hatte am Sonntag vor dem wichtigsten Bahnhof der südfranzösischen Hafenstadt zwei Cousinen mit einem Messer erstochen. Laut Zeugenaussagen rief er dabei auf Arabisch: "Gott ist groß". Soldaten erschossen den Täter. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beanspruchte die Tat für sich - ob es sich tatsächlich um einen Anschlag handelte, ist aber noch nicht klar.

Für Diskussionen in Frankreich sorgte es, dass der Angreifer erst am Tag vor der Attacke aus Polizeigewahrsam auf freien Fuß gesetzt worden war, obwohl er keine Aufenthaltsberechtigung hatte. Er war am Freitag in Lyon wegen Ladendiebstahls festgenommen worden, die Ermittlungen wurden aber schnell wieder eingestellt. Innenminister Gérard Collomb ordnete eine Untersuchung an, warum der Mann nicht in eine Abschiebe-Einrichtung gebracht wurde. Anti-Terror-Staatsanwalt François Molins hatte zuvor erklärt, die örtliche Präfektur sei "nicht in der Lage" gewesen, die Ausweisung anzuordnen.

Wie am Dienstag bekannt wurde, hatte der Angreifer zeitweilig in Italien gelebt. Er habe italienische Ausweispapiere besessen und sich dort regulär aufgehalten, sagte Innenminister Collomb dem Radiosender France Inter. Die Staatsanwaltschaft in Rom will nun prüfen, welche Kontakte der Angreifer in Italien hatte, wie die Nachrichtenagenturen Ansa und ADN Kronos berichteten. Geplant seien Ermittlungen gegen Unbekannt wegen möglicher terroristischer Verbindungen.

Sowohl der Angreifer von Marseille als auch der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, Anis Amri, hätten zeitweise in der Stadt Aprilia südlich von Rom gelebt, so Ansa. Allerdings werde nicht davon ausgegangen, dass es eine Verbindung gebe.

Collomb bestätigte einen weiteren Fall mit Terrorverdacht: Nach dem Fund von mehreren Gasflaschen in Paris am vergangenen Wochenende wurden mehrere Menschen festgenommen. Einer der Verdächtigen sei als radikalisiert bekannt gewesen. Die Flaschen waren im vornehmen 16.
Stadtbezirk in und vor einem Gebäude gefunden worden, berichteten Medien. Es gab demnach Vorrichtungen, um die Behälter in Brand zu setzen - um sie herum sei auch Benzin verschüttet worden.

Frankreich war in den vergangenen zweieinhalb Jahren immer wieder Ziel von islamistischen Anschlägen. 239 Menschen wurden seit Anfang 2015 ermordet, dabei ist die Attacke vom Sonntag nicht mitgerechnet.
Frankreichs Nationalversammlung stimmte am Dienstag für eine weitere Verschärfung der Sicherheitsgesetze. Sie muss nun bei strittigen Punkten einen Kompromiss mit dem Senat finden. Die Regierung will die Behörden mit dem Gesetz für das geplante Ende des Ausnahmezustands wappnen, der Anfang November auslaufen soll. Kritiker befürchten, dass mit dem neuen Gesetz eine Art "permanenter Ausnahmezustand" geschaffen wird.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte in einem Kondolenztelegramm an Präsident Emmanuel Macron im Fall von Marseille "große Betroffenheit". Sie bleibe fest davon überzeugt, "dass unsere Freiheit und unsere Art des friedlichen und respektvollen Zusammenlebens stärker sind als jeder Hass", schrieb Merkel.

(felt)
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