Russisches Parlament Medien boykottieren Duma wegen Vorwürfen sexueller Belästigung

Moskau · Aus Protest gegen die Weigerung des russischen Parlaments, einen Abgeordneten wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe zu maßregeln, haben einflussreiche Medien am Donnerstag zum Boykott der Staatsduma aufgerufen.

Der Radiosender Moskauer Echo, die RBK-Mediengruppe, der Fernsehsender Doschd und andere erklärten, sie würden keine Journalisten mehr für die Parlamentsberichterstattung abstellen. Mehrere Journalistinnen hatten den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Leonid Sluzki, beschuldigt, sie begrapscht oder schlüpfrige Bemerkungen gemacht zu haben.

Doch die Ethikkommission des Parlaments war am Mittwoch zu dem Schluss gelangt, dass der 50-jährige Abgeordnete der ultrarechten Liberaldemokratischen Partei (LDPR) die "Benimmregeln nicht verletzt" habe. Seitens des RBK-Medienunternehmens hieß es dazu, die Ethikkommission sehe es "faktisch als normal" an, dass Journalistinnen sexuell belästigt würden. Deshalb würden sämtliche Parlamentsberichterstatter für Online- und Printmedien sowie Fernsehen abgezogen.

Der oppositionsnahe Fernsehsender Doschd, dessen Reporterin Darja Dschuk den LDPR-Abgeordneten beschuldigt, bezeichnete die Entscheidung der Kommission als "unannehmbar und beschämend". Zu den Boykotteuren gehören auch der Radiosender Goworit Moskwa, die Informationsportale Snak, The Village, The Bell und Republic sowie der in den USA ansässige Fernsehsender RTVI.

Dessen Vizechefin Jekaterina Kotrikadse wirft Slutzki vor, sie 2011 sexuell belästigt zu haben. Den gleichen Vorwurf erhebt die Journalistin Farida Rustamowa vom russischen Dienst der BBC.

Andere Medien wie die Tageszeitungen "Kommersant" und "Wedomosti" wählten eine abgeschwächte Form des Boykotts. Ihre Reporter bleiben im Unterhaus, berichten aber nicht über Slutzki - mit Ausnahme von Informationen zum Vorwurf der sexuellen Belästigung.

Pawel Gussew, der Vorsitzende der Moskauer Journalistenvereinigung und Chef der Zeitung "Moskowski Komsomolez", sprach sich gegen einen Boykott aus. Angesichts der Beschwerden, wonach die Duma ein gefährlicher Arbeitsplatz für Journalisten sei, wolle er die Kollegen daran erinnern, dass der Journalismus einer der "gefährlichsten Berufe weltweit" sei. "Also was, sollen wir einfach aufhören zu arbeiten?", fügte er hinzu.

(AFP)
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