Israels Angriff auf Gaza-Hilfsflotte Merkel fordert Untersuchung

Jerusalem (RPO). Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert eine Untersuchung der blutigen Erstürmung einer Hilfsflotte für den Gazastreifen. Der Angriff israelischer Truppen hatte international einen Sturm der Empörung ausgelöst. Von Washington über das Nahost-Quartett bis zur Bundesregierung zeigten sich Politiker besorgt und schockiert über den Vorfall am Montagmorgen in internationalen Gewässern in Mittelmeer, bei dem mindestens zehn Menschen ums Leben kamen.

Gaza 2010: Israelische Marine greift Hilfskonvoi an
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Gaza 2010: Israelische Marine greift Hilfskonvoi an

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Die aus sechs Schiffen bestehende Flottille wurde am Morgen von israelischen Marine-Einheiten gestürmt. Laut Armee wurden dabei mindestens neun Menschen getötet, der israelische Privatsender Kanal 10 berichtete von mindestens zehn Toten und mehr als zwei Dutzend Verletzten. An Bord befanden sich nach Angaben eines Sprechers des Auswärtigen Amts auch zehn Deutsche, deren Schicksal zunächst ungeklärt blieb. Insgesamt befanden sich mehr als 700 pro-palästinensische Aktivisten an Bord der Schiffe, allein rund 600 an Bord des türkischen Bootes "Mavi Marmara".

Die Bundestagsabgeordneten der Linken, Inge Höger und Annette Groth sowie der ehemalige Bundestagsabgeordnete Norman Paech sind bei dem Angriff Israels auf ein Schiff mit Hilfsgütern für den Gaza-Streifen offenbar unverletzt geblieben. Das teilte der Vorstand der Partei am Montagabend in Berlin mit. Bei der Linksfraktion im Bundestag hieß es, auch ein Vertreter der deutschen Sektion der Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW) sei beteiligt, der deutsche IPPNW-Vize Matthias Jochheim. Zudem sei Nader el Sakka von der Palästinensischen Gemeinde Deutschland mit an Bord gegangen.

War der Angriff verhältnismäßig?

Merkel forderte eine umfassende und schnelle Aufklärung des Einsatzes, dessen "Verhältnismäßigkeit" sie in Frage stellte. "Wir sind bestürzt über den Verlust von Menschenleben", sagte die Kanzlerin in Berlin. Sie habe mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und dessen türkischem Kollegen Recep Tayyip Erdogan telefoniert und "ihre tiefe Sorge" bekundet. Netanjahu habe sie um schnelle Aufklärung über den Verbleib der deutschen Staatsbürger gebeten. Zugleich betonte Merkel die Notwendigkeit, den Friedensprozess fortzusetzen.

Netanjahu plädiert auf "Notwehr"

Angesichts der diplomatischen Krise brach Netanjahu einen Besuch in Kanada ab und sagte seine geplante Weiterreise nach Washington ab. Er "bedauerte" den Verlust von Menschenleben. Das Weiße Haus kündigte an, die USA würden zur Aufklärung beitragen. In mehreren europäischen Hauptstädten wurden israelische Botschafter in die Außenministerien bestellt.

Die israelischen Streitkräfte haben nach Angaben von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei der Erstürmung eines Schiffskonvois mit Hilfslieferungen für den Gazastreifen aus Notwehr gehandelt. Die Soldaten seien angegriffen worden, sagte Netanjahu am Montag nach einem Treffen mit dem kanadischen Regierungschef Stephen Harper in Toronto. Die Schiffe hätten nach Waffen durchsucht werden sollen, und das sechste habe bei der Kontrolle nicht kooperiert.

Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates

Der UN-Sicherheitsrat beraumte für Montag (19.00 Uhr MESZ) eine Sondersitzung an. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich wie seine Menschenrechtskommissarin Navi Pillay "schockiert" über die Gewaltanwendung. EU-Außenministerin Catherine Ashton brachte in einem Telefonat mit Israels Außenminister Avigdor Lieberman ihre "tiefste Besorgnis" zum Ausdruck. Der Repräsentant des Nahost-Quartetts, Tony Blair, zeigte sich "schockiert".

Erdogan warf Israel "inhumanen Staatsterrorismus" vor. "Internationales Recht wurde mit Füßen getreten", sagte Erdogan und forderte auch eine Krisensitzung der NATO; das Bündnis wollte am Dienstag in der Sache zusammenkommen. Rund zehntausend Menschen demonstrierten in Istanbul gegen Israel. Nach Angaben einer beteiligten türkischen Nichtregierungsorganisation (NGO) waren die meisten der Opfer Türken. Auch im Gazastreifen, in Frankreich und London sowie in Jordanien, Ägypten, Bosnien, im Iran und im Libanon gingen Menschen auf die Straßen. Mehrere NGOs, darunter Amnesty International, medico international und Pax Christi, welche die Hilfsflotte unterstützten, äußerten scharfe Kritik.

(AFP/awei)
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