Nach Absage in St. Petersburg Merkel und Putin nun doch bei Beutekunst-Ausstellung

St. Petersburg · Russlands Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eröffnen nun doch gemeinsam am Freitagabend eine Bronzezeit-Ausstellung mit viel Beutekunst in St. Petersburg. Das teilte Putin mit. Merkel bestätigte, dass Unstimmigkeiten beseitigt seien.

"Ein direktes Gespräch mit dem Präsidenten und mir hat dazu geführt, dass wir die Ausstellung eröffnen", sagte Merkel. Die Kanzlerin hatte eine Teilnahme an der Ausstellung zunächst abgesagt, weil die russische Seite ihr bei der Eröffnung angeblich nicht hatte das Wort geben wollen.

Russland dementiert Redeverbot

Russland hat ein angebliches Redeverbot für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Eröffnung einer Bronzezeit-Schau mit Beutekunst in St. Petersburg als "unzutreffend" zurückgewiesen. "Niemand hat die Macht, einer Bundeskanzlerin zu verbieten etwas zu sagen, wenn sie dies gern möchte", sagte Michail Schwydkow, der Vertreter des Präsidenten für internationale kulturelle Zusammenarbeit, am Freitag. Behauptungen, dass Merkel bei der Ausstellung nicht habe reden sollen, seien "Verschwörungstheorien, die nichts mit der Realität gemein haben", sagte der prominente Kulturpolitiker der Agentur Interfax.

Zu dem Thema Beutekunst sagte Putin: "Eine sehr heikle Frage für die Gesellschaften beider Länder. Wir müssen nach Lösungen suchen, nicht das Thema aufblasen. Wir dürfen nicht gegeneinander aufrechnen, sondern sollten den Weg der Kunstexperten gehen."

Streitpunkt Beutekunst

Zwar machte Putin klar, dass er das Kapitel nicht öffnen wolle: Das heißt, dass die Kunstschätze in Russland bleiben. Er sei dafür, dass deutsche und russische Museumsexperten abseits der Politik sich wissenschaftlich mit den Kulturgütern befassen. Und so gilt vor allem die Ausstellung "Bronzezeit - Europa ohne Grenzen" als krönender Abschluss des Deutschlandjahres.

Doch der Streit um die Kulturschätze, die Sowjetsoldaten nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland beschlagnahmten und verschleppten, bleibt. Das zeigt auch die Tatsache, dass sich das Museum von Anfang an jeden politischen Lärm verbat - und das Projekt insgesamt fast wie ein Staatsgeheimnis hütete.

Die Beutekunst-Exponate machen den Großteil der Schau aus - insgesamt 600 der 1700 Gegenstände. Zu sehen in der Eremitage ist etwa der von Deutschland begehrte Goldschatz von Eberswalde. Abseits politischer Emotionen wollen hier deutsche und russische Experten vor allem erstmals wieder eine geschlossene Sammlung zur Bronzezeit präsentieren. Dabei half ihnen, dass es um die Beutekunst zuletzt ruhiger geworden war. Trotzdem konnte wohl keiner erwarten, dass Merkel schweigt zu dem Reizthema.

Immerhin hatte die Sowjetunion zu DDR-Zeiten etwa an die Dresdner Gemäldegalerie in großem Stil wichtige Kunstschätze zurückgegeben. Beweglich zeigte sich Putin zuletzt auch bei der Rückgabe der Fenster an die Frankfurter Marienkirche. Doch die Verhandlungen über weitere Gegenstände - wie etwa die so bezeichnete Baldin-Sammlung aus Bremen - kommen nicht voran.

Merkel bekam nun hautnah mit, dass Russland die "verlagerten Kunstschätze" als Entschädigung für Kriegsverluste sieht. St. Petersburg bereitet sich auf den 70. Jahrestag des Endes der Leningrader Blockade vor, mit der die Deutschen die Stadt einst auslöschen wollten.

Russlands Kulturminister Wladimir Medinski donnerte ebenfalls unlängst, dass die Kostbarkeiten mit dem "Blut unserer Soldaten bezahlt" seien. Vieles davon lagert heute im Moskauer Puschkin-Kunstmuseum, deren 91 Jahre alte Direktorin, Irina Antonowa, weiter die Linie vorgibt. "Eine Rückgabe wäre der Beginn einer Revolution in den Kunstsammlungen der ganzen Welt", sagte die "Hüterin der Beutekunst" einmal. Sie meint, dass internationale Museen voll seien mit Kunstschätzen von Eroberungszügen und Kriegen.

Auch wegen der Beutekunst in vielen berühmten Museen der Welt folgt Russland nicht der deutschen Auffassung, die sich auf das Völkerrecht beruft. Demnach dürfen Kunstschätze, weil sie oft über Jahrhunderte an einen Ort gebunden seien, nicht als Teil der Wiedergutmachung für Kriegsschäden herhalten. Russland hat die "verlagerten Kulturgüter" deshalb nachträglich als Wiedergutmachung für Kriegsverluste per Gesetz legalisiert.

Sauer ist Russland aber nicht zuletzt, weil es im Beutekunststreit immer alles nur um deutsche Interessen drehen sieht. Nach den Plünderungen der Faschisten in der Sowjetunion würden immer noch viele Kunstschätze vermisst, sagt die Beutekunstexpertin und Historikerin der Eremitage, Julia Kantor. Vermutet wird die Nazi-Beute in deutschem Privatbesitz.

Dass sich Deutschland ungeachtet der russischen Position weiter als Eigentümer eines Großteils der Schätze sieht, ist auch der Grund, weshalb die Eremitage-Ausstellung dort nicht zu sehen sein wird.
Russland befürchtet, dass die Deutschen die Glanzstücke einfach behalten könnten.

(dpa/felt/csi)
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