Mordaufruf wegen "Gotteslästerung" Minister setzt Kopfgeld auf Schmähvideo-Macher aus

Islamabad/Berlin · In Pakistan hat ein Minister 100.000 Dollar auf den Kopf des Schmähvideo-Machers ausgesetzte. Der Premier geht halbherzig auf Distanz. Deutsche Muslime demonstrierten am Wochenende friedlich.

 Der pakistanische Eisenbahnminister Ghulam Ahmad Bilour hat ein Kopfgeld von 100.000 Dollar auf den Produzenten den islamfeindlichen Filmes "Unschuld der Muslime" ausgesetzt.

Der pakistanische Eisenbahnminister Ghulam Ahmad Bilour hat ein Kopfgeld von 100.000 Dollar auf den Produzenten den islamfeindlichen Filmes "Unschuld der Muslime" ausgesetzt.

Foto: dpa, Ramindar Pal Singh

Nach neuen Massenprotesten gegen das Mohammed-Schmähvideo mit vielen Toten und Verletzten gerät somit der Filmemacher selbst in die Schusslinie. Ein pakistanischer Minister versprach am Samstag demjenigen die Belohnung, "der diesen Gotteslästerer umbringt, der Unsinn über den heiligen Propheten geredet hat". Die Regierung in Islamabad distanzierte sich von dem Mordaufruf. In Bangladesch und Nigeria gingen die antiwestlichen Proteste weiter. Auch in mehreren deutschen Städten gingen Muslime am Wochenende auf die Straße, bei der größten Demonstration in Dortmund 1500 Menschen.

Produzent des Films, der den Propheten Mohammed verunglimpft, soll ein in den USA lebender koptischer Christ sein. Seit eineinhalb Wochen entzündet sich daran die Wut der Massen in der islamischen Welt. In Pakistan waren am Freitag Großdemos außer Kontrolle geraten. Mindestens 23 Menschen starben, über 200 sollen verletzt worden sein.

Vor diesem Hintergrund setzte Eisenbahnminister Ghulam Ahmad Bilour bei einer Pressekonferenz die 100 000 Dollar Kopfgeld aus. Wie die Zeitung "Dawn" berichtete, rief er die radikalislamischen Taliban und das Terrornetzwerk Al-Kaida auf, ihn zu unterstützen. Ihm sei klar, dass es eine Straftat sei, zum Mord aufzurufen. Es gebe aber keinen anderen Weg, "Gotteslästerern" Furcht einzuflößen.

Regierungschef Raja Pervez Ashraf sagte am Sonntag, seine Regierung habe mit dem Kopfgeld nichts zu tun. Auch Bilours Partei, die eigentlich moderate Awami National-Partei (ANP), nahm Abstand.
"Das ist eine persönliche Äußerung, die nicht der Parteilinie entspricht", sagte ANP-Sprecher Zahid Khan. Die ANP koaliert mit der Pakistanischen Volkspartei (PPP) von Premier Ashraf. Wie Ashrafs Sprecher mitteilte, seien disziplinarische Schritte gegen Minister Bilour nicht ausgeschlossen. Vorerst bleibe er jedoch im Amt.

Im libyschen Bengasi, wo vor knapp zwei Wochen ein wütender Mob das US-Konsulat angegriffen und Botschafter Chris Stevens sowie drei weitere Amerikaner getötet hatte, eskalierte am Freitagabend eine Demonstration mit rund 20 000 Teilnehmern gegen Gewalt und islamistische Milizen. Hunderte aufgebrachte Bürger stürmten das Hauptquartier der Miliz Ansar al-Scharia sowie ein weiteres Lager. Am Wochenende kündigten die Behörden an, alle Milizen und bewaffneten Gruppen im Land aufzulösen. Auch das Tragen von Waffen werde verboten.

Die Islamisten stehen im Verdacht, an dem Angriff auf das Konsulat beteiligt gewesen zu sein. Nach Augenzeugen- und Medienberichten wurden bei den Zusammenstößen mindestens vier Menschen getötet und 50 weitere verletzt. Die unabhängige Tageszeitung "Libya Al Youm" berichtete, bei dem zweiten Lager seien am Samstag sechs gefesselte Leichen mit Kopfschüssen gefunden worden.

In Bangladesch, wo es am Freitag bei Zusammenstößen mindestens 100 Verletzte gegeben hatte, protestierte am Sonntag eine Allianz aus zwölf islamischen Parteien mit einem landesweiten Generalstreik gegen die Polizeigewalt. In der Hauptstadt Dhaka wurden nach Polizeiangaben mindestens 42 Demonstranten festgenommen. In Nigeria gingen in Kano, der zweitgrößten Stadt des Landes, Zehntausende Menschen aus Protest gegen das Anti-Islam-Video auf die Straße.

Das Außenministerium des Sudans verurteilte inzwischen erstmals den Sturm auf die deutsche Botschaft in Khartum vor gut einer Woche.
Der Angriff verstoße gegen die Ideale und die Ethik des Islam, heißt es in einem Schreiben an Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), das der "Welt am Sonntag" vorlag. Der Sudan werde sich an der Beseitigung der Schäden am Botschaftsgebäude finanziell beteiligen.

In Deutschland machten Muslime nach dem Auftakt am Freitag auch am Wochenende gegen den islamfeindlichen Mohammed-Film mobil. In Dortmund zogen am Samstag rund 1500 Muslime friedlich durch die Innenstadt. In Karlsruhe zählte die Polizei 300 Demonstranten. In Hannover protestierten am Sonntag rund 1000 Menschen, im rheinischen Bergisch Gladbach kamen etwa 100 Menschen zu einer Kundgebung. Auf Plakaten in Dortmund hieß es: "Nein zu Gewalt, Ja zu Toleranz." Am Freitag hatten bereits in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen insgesamt rund 1600 Menschen protestiert.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte, die größte Beleidigung für eine Religion sei, wenn in ihrem Namen Gewalt ausgeübt werde. "Deswegen müssen wir uns gemeinsam gegen die islamistische Terrorideologie wehren: selbstbewusst und mit einem klaren Bekenntnis zu unseren freiheitlichen Werten", sagte er der "Bild"-Zeitung (Samstag). Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP)
sprach sich gegen eine öffentliche Vorführung des islamfeindlichen Videos in Deutschland aus: "So einen Film darf man nicht zeigen."

In Frankreich erstickte die Polizei Protestaktionen mit massiver Präsenz an wichtigen Plätzen im Keim. Die Regierung hatte zuvor Versammlungen und Demonstrationen verboten. Das Pariser Satiremagazin "Charlie Hebdo" hatte der explosiven Lage zum Trotz am Mittwoch weiter Öl ins Feuer gegossen und seitenweise bitterböse Mohammed-Karikaturen veröffentlicht.

Die Polizei nahm einen Mann fest, der im Internet zur Enthauptung des für die aktuelle Ausgabe verantwortlichen Redakteurs aufgerufen hatte. In der Bevölkerung stoßen die Karikaturen auf ein geteiltes Echo. Nach einer Umfrage der Tageszeitung "Sud-Ouest" sind 51 Prozent der Franzosen dafür. 47 Prozent der Befragten glauben, sie könnten in der aktuellen Situation zu neuen Spannungen führen.

(dpa)
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