Nach Einreiseverbot Merkel verschärft Ton gegenüber Trump

Berlin · Das US-Einreiseverbot für Bürger aus sieben muslimischen Ländern gilt nach Angaben der amerikanischen Botschaft in Berlin auch für Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft. Bundeskanzlerin Merkel stellt sich klar gegen Trump.

Das ist das Kabinett von Donald Trump
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Direkt betroffen von der Regelung sind laut Innenministerium Zehntausende Doppelstaatler.Demnach besaßen 2011 mehr als 80.000 Menschen in der Bundesrepublik neben dem deutschen Pass auch eine iranische Staatsangehörigkeit, mehr als 1000 einen sudanesischen. Aktuellere Zahlen würden dem Amt nicht vorliegen, hieß es im Bundesinnenministerium.

Die Einreiseverbote gegen Somalia, Libyen und dem Jemen würden jeweils 500, 300 und rund 350 Menschen in Deutschland betreffen. "Die Zahlen können allenfalls als Richtgröße dienen", sagte ein Sprecher des Ministeriums.

Betroffene sollten keinen Termin für ein Visagespräch vereinbaren, erklärte die US-Botschaft am Montag auf Facebook. Bereits vereinbarte Termine sollten nicht wahrgenommen werden, denn die Betroffenen würden keinen Zutritt in die Botschaft oder das Konsulat erhalten.

US-Präsident Donald Trump hatte am Freitag einen Erlass unterschrieben, nach dem Bürger aus dem Irak, dem Iran, dem Jemen, Libyen, Somalia, dem Sudan und Syrien 90 Tage lang nicht einreisen dürfen. Mit dem Schritt will die Regierung nach eigenen Angaben sicherstellen, dass Reisende künftig besser überprüft werden. Hintergrund ist der Kampf gegen den Terrorismus.

Die Entscheidung Trumps stieß weltweit auf Kritik. Am Wochenende war zunächst unklar, ob das Verbot etwa auch für Deutsch-Iraner gilt. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sind insgesamt Zehntausende Deutsche betroffen, die auch Staatbürger eines der genannten Länder sind.

Kanzlerin Angela Merkel hat ihren Ton gegenüber US-Präsident Donald Trump am Montag deutlich verschärft: "Das Vorgehen widerspricht nach meiner Auffassung dem Grundgedanken der internationalen Flüchtlingshilfe und der internationalen Kooperation", sagte Merkel. Der notwendige Kampf gegen den Terror "rechtfertigt in keiner Weise einen Generalverdacht gegen Menschen bestimmten Glaubens, in diesem Falle Menschen muslimischen Glaubens" oder einer bestimmten Herkunft, sagte Merkel.

Das Bundeskanzleramt setze gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt alles daran, besonders für die betroffenen Doppelstaatler "die rechtliche Lage zu klären und deren Interessen mit Nachdruck zu vertreten", sagte Merkel.

Auch die EU-Kommission will verhindern, dass EU-Bürger mit doppelten Staatsbürgerschaften vorerst nicht mehr in die USA reisen dürfen.
"Wir werden sicherstellen, dass unsere Bürger nicht diskriminiert werden", sagte ein Sprecher am Montag.

Das britische Außenministerium will in Erfahrung gebracht haben, dass die Regelung nicht auf Doppelstaatler mit britischer Staatsangehörigkeit zutrifft. Zudem beziehe sich die Regelung nur auf Reisen in die USA aus den sieben Staaten, heißt es in einer Mitteilung des britischen Außenministeriums. Das habe Außenminister Boris Johnson bei Konsultationen mit dem Team des US-Präsidenten in Erfahrung gebracht. Dem widersprach allerdings eine Mitteilung auf der Webseite der US-Botschaft in London von Montag.

UN-Menschenrechtskommissar Zeid Ra'ad al-Hussein hat das Einreiseverbot als unzulässig bezeichnet. "Diskriminierung ausschließlich auf der Grundlage der Staatszugehörigkeit ist nach den Menschenrechtsgesetzen verboten", erklärte Zeid via Twitter. Trumps Dekret sei von "Bösartigkeit" inspiriert, fügte der aus Jordanien stammende UN-Menschenrechtskommissar hinzu.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres kritisierte beim Gipfel der Afrikanischen Union in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, dass "selbst in den am höchsten entwickelten Staaten der Welt" Grenzen geschlossen würden. Er würdigte die Bereitschaft vieler afrikanischer Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen. Die afrikanischen Staaten gehörten zu den "großzügigsten Gastgebern von Flüchtlingen", sagte Guterres.

Trump hat den umstrittenen Einreisestopp gegen internationale Kritik verteidigt. "Lediglich 109 von 325.000 Menschen wurden festgenommen und befragt", erklärte er am Montag über den Kurznachrichtendienst Twitter. Die großen Probleme an den Flughäfen seien am Wochenende von einem Computer-Ausfall bei der Fluggesellschaft Delta Air Lines ausgelöst worden, von Demonstranten und "den Tränen von Senator (Chuck) Schumer".

Nach Angaben von Heimatschutzminister John Kelly laufe hingegen alles gut und mit nur sehr wenigen Problemen. "Macht Amerika wieder sicher", forderte Trump, der den Einreisestopp mit Sicherheitsgründen gerechtfertigt hatte.

Mehrere US-Diplomaten haben offiziell gegen die von US-Präsident Donald Trump verhängten Einreiseverbote für Bürger mehrerer muslimischer Länder protestiert. Dies teilte ein Ministeriumssprecher am Montag in Washington mit. Es war aber unklar, wieviele Diplomaten die offizielle Protestnote unterzeichneten, die zunächst nicht veröffentlicht wurde.

Verwirrung am Istanbuler Flughafen

Derweil hat das Einreiseverbot am Istanbuler Atatürk-Flughafen für Verwirrung gesorgt. Seit Samstag werde rund zehn Menschen die Reise in die USA verwehrt, berichtete der Sender CNN Türk am Montag. Die meisten von ihnen befinden sich demnach auf der Durchreise. Der Atatürk-Flughafen ist einer der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte in der Region.

Am Flughafen sei eine zusätzliche Sicherheitskontrolle für in die USA reisende Passagiere eingeführt worden. Steht der Name eines Passagiers auf einer Liste der US-Behörden, dürfe dieser nicht in die USA fliegen. CNN Türk berichtete von einem Iraker, der an der Reise gehindert wurde, dessen Frau und Kind aber das Flugzeug betreten durften.

Kritik von Politikern

Führende CDU-Politiker reagierten entsetzt und besorgt auf das von US-Präsident Donald Trump verhängte Einreiseverbot für viele Muslime reagiert. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) sagte am Montag am Rande einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin: "Das schadet der amerikanischen Wirtschaft enorm."

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner sagte: "Ich halte das für gefährlich, ehrlich gesagt." Sie betonte auch: "Die Mitarbeiter in amerikanischen Firmen sind ja nicht alle christlichen Glaubens und amerikanische Staatsbürger."

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte über Trump:
"Ich glaube, wir sollten zwei Dinge tun: Das ernst nehmen, was er sagt. Er macht genau das, was er im Wahlkampf versprochen hat. Seine Anhänger finden das gut, ich finde das schlecht und ich denke, viele Menschen auch. (...) In der Summe ist das ein schlechtes Signal." Europa und Deutschland sollten sich keine Illusionen machen. "Ich glaube, wir sind stark genug, eine deutliche Position zu haben."

Die Linke prüft nach Angaben der Parteivorsitzenden Katja Kipping eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen das Einreiseverbot von US-Präsident Donald Trump. Kipping forderte am Montag im Kurznachrichtendienst Twitter, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse den US-Botschafter einbestellen und über die Europäische Union eine Protestresolution in die Vereinten Nationen einbringen.

"Das ist ein Kreuzzug gegen Muslime, aber auch ein Kreuzzug gegen Bürgerrechte", sagte Kipping dem Sender n-tv. "Man muss auch sagen, wenn die Bundeskanzlerin nicht tätig wird, dann hätte jeder Bürger hierzulande das Recht, gegen Untätigkeit zu klagen, und zwar beim Europäischen Gerichtshof."

Auch der Deutsche Olympische Sportbund hat das von Trump verfügte Einreiseverbot scharf kritisiert. "Im Sport gibt es klare Regeln und ein klares Grundverständnis: Nämlich weltweiten Zugang, unbenommen der Frage der Religion und der Herkunft", sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann am Montag auf dem Neujahrsempfang der Dachorganisation in Frankfurt/Main. "Deshalb ist eine solche Vorgehensweise schlichtweg schwierig und inakzeptabel", sagte Hörmann. Zumal sie aus einem Land komme, das sich mit Los Angeles um Olympische Spiele und Paralympics bewirbt. "Wer 2024 das weltgrößte Sportfest in seinem Land haben möchte, bereitet dem Projekt einen Bärendienst mit so einem Beschluss", sagte Hörmann.

Die deutsch-iranische Schauspielerin Jasmin Tabatabai ("Bandits") ist schockiert über das US-Einreiseverbot für viele Muslime. "Bei allem Verständnis dafür, dass man sein Land gegen islamistischen Terror schützen will: Millionen Menschen pauschal und willkürlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit unter Generalverdacht zu stellen, kann nicht die Lösung sein", sagte die 49-Jährige. "Trumps Dekret ist absurd, unmenschlich und tritt die Werte, auf die die USA sonst so stolz sind, mit Füßen."

Tabatabai wurde in Teheran geboren und hat neben dem deutschen auch einen iranischen Pass. Sie sei persönlich von dem Dekret betroffen: "Nun haben meine Geschwister, meine 79-jährige Mutter und ich plötzlich Einreiseverbot", schrieb sie in einem Gast-Beitrag für die "Bild"-Zeitung. Ein Großteil ihrer Familie wanderte Ende der 70er Jahre aus dem Iran aus, als dort die Mullahs an die Macht kamen. Einige flohen nach Deutschland, andere in die USA. Die Schauspielerin und Musikerin war zudem mit einem amerikanischen Musiker verheiratet und hat mit ihm eine 14-jährige Tochter.

Zuspruch mitunter im Internet

In den sozialen Netzwerken gibt es neben Kritik aber auch Zuspruch für US-Präsident Donald Trump. "Keine Flüchtlinge aufzunehmen und unsere Grenzen zu schließen heißt nicht, dass wir "herzlos" oder "gemein" sind", kommentierte eine Nutzerin auf Trumps Facebookseite. "Ich schließe jede Nacht meine Tür ab. Ich schließe sie nicht ab, weil ich die Menschen draußen "hasse". Ich schließe sie ab, weil ich die Menschen drinnen liebe." Dieser Beitrag gefiel mehr als 100.000 Menschen.

Als Argumente für Trumps Politik wurden kulturelle Unterschiede und die Angst vor Terroranschlägen genannt. Neben sachlicher Kritik bedienten sich viele Befürworter des Dekrets etwa auf Twitter aber auch an pauschalen Vorurteilen über Araber und Muslime.

Auch AfD-Bundesvize Alexander Gauland hat Trump für den Beschluss gelobt. "Trump macht es richtig, er macht es uns vor", teilte der Politiker mit. Die Einreiseverbote seien konsequent und klug, "denn es erhöht den Druck auf die Heimatländer, ihr Sicherheits-, aber auch Armutsproblem, in beiderseitigem Interesse selbst in den Griff zu bekommen." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse sich das Dekret unbedingt zu Herzen nehmen. Da sie dies aber nicht tue, vergrößere sie das "Asyl- und damit unser Sicherheitsproblem in Deutschland immer weiter".

Mehr als eine Million Menschen haben unterdessen eine Petition unterzeichnet, die einen Staatsempfang von US-Präsident Donald Trump in Großbritannien verhindern soll. Als Begründung heißt es auf der Petitions-Webseite des britischen Parlaments, "Donald Trumps gut dokumentierter Frauenhass und seine Vulgaritäten disqualifizieren ihn, von ihrer Majestät der Queen oder dem Prinzen von Wales (Prinz Charles) empfangen zu werden". Trump solle zwar einreisen dürfen, aber keinen offiziellen Empfang bekommen.

Ein Regierungssprecher sagte am Montag, die Petition habe keinen Einfluss auf die Einladung an Trump. Doch der Druck auf Premierministerin Theresa May, ihre politische Nähe zu dem neuen US-Präsidenten aufzugeben, wächst. May war als erster ausländischer Staatsgast unter Trump im Weißen Haus empfangen worden. Bei dem Besuch in Washington am vergangenen Freitag betonte May die "besondere Beziehung" zu den USA und sprach im Namen von Königin Elizabeth II. eine Einladung an Trump aus.

(rent/das/dpa/rtr/afp)
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