Russland hatte mit Erstschlag gedroht Nato beschwichtigt im Streit um Raketenschild

Berlin · Die Nato versucht im Streit mit Russland über den künftigen Raketenschild, eine neuerliche Eskalation zu verhindern. "Wir haben keinerlei Absicht, Russland anzugreifen", versicherte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Freitag in Berlin. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière hat derweil die Äußerungen des russischen Generalstabschefs Nikolai Makarow über einen Militärschlag als Propaganda bezeichnet.

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Foto: AP

Bundeskanzlerin Angela Merkel fügte hinzu, der Schild sei "nicht gegen Russland gerichtet". Daher wolle sie weiter um Vertrauen werben. Anlass sind russische Drohungen, die Raketenabwehr der Allianz bei einer Eskalation der Lage auch anzugreifen und zu zerstören. Das hatte im Bündnis zu Irritationen geführt.

Unterdessen hat Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die Äußerungen des russischen Generalstabschefs Nikolai Makarow über einen Militärschlag gegen den geplante Nato-Raketenabwehrschild als Propaganda bezeichnet. "Ich werte die Äußerungen aus Moskau eher als Propaganda. Wir haben in der Nato mehrfach deutlich gemacht, dass sich das Raketenabwehrsystem nicht gegen Russland richtet", sagte de Maizière unserer Redaktion.

Die Nato werde wie geplant auf dem Nato-Gipfel in Chicago die vorläufige Einsatzbereitschaft des Abwehrschirms beschließen, sagte der Minister. Zugleich fügte er hinzu, dass die Allianz kooperativ sei. "Wir haben Russland angeboten, dass wir Informationen zu dem Raketenabwehrschild austauschen und technisch sicherstellen werden, dass sich das System nicht gegen Russland richtet."

Die Nato will sich mit ihrem Raketenabwehrschirm nach eigenen Angaben gegen mögliche Angriffe etwa aus dem Iran schützen. Russland fürchtet indes, dass damit auch die eigene atomare Abschreckungskraft beeinträchtigt wird und sieht strategische Interessen verletzt. Die seit Monaten anhaltenden Auseinandersetzungen hatten durch die jüngste Drohung des russischen Generalstabschefs Nikolai Makarow mit einem zerstörerischen Angriff auf die Abwehranlagen eine neue Stufe erreicht.

Nato hält Befürchtung für "ungerechtfertigt"

Die Nato verzichtete auf eine harsche Reaktion. Die russischen Befürchtungen seien "ungerechtfertigt", sagte Rasmussen lediglich und betonte, der Schild diene ausschließlich dem Schutz der eigenen Bevölkerung vor möglichen Angriffen. "Der beste Weg, dass Russland mit eigenen Augen sieht, dass der Schild nicht gegen Russland gerichtet ist, wäre eine Beteiligung an der Abwehr." Der Generalsekretär fügte hinzu, die Nato bleibe bei ihrer Einladung an Moskau, an der Raketenabwehr mitzuarbeiten.

Auch Merkel war bemüht, die angespannte Situation wenige Wochen vor dem Nato-Gipfel zu dämpfen. Dieser Schirm sei "sinnvoll und richtig", unterstrich die Kanzlerin und fügte wie Rasmussen hinzu: "Er ist nicht gegen Russland gerichtet". Daher wolle sie für weitere vertrauensbildende Maßnahmen werben, um auch Moskau von dem Verteidigungssystem zu überzeugen. Dafür sei noch Zeit, schließlich sei es vom Startschuss bis hin zum endgültigen Raketenabwehrschild ein jahrelanger Weg.

Startschuss zur Raketenabwehr im Mai

In Chicago will die Allianz Ende Mai die erste Stufe des Abwehrschirms als sogenannte Anfangsbefähigung offiziell in Dienst stellen. Dabei soll das Frühwarnradar in der Türkei mit den notwendigen Abfangraketen vernetzt werden. Anders als ursprünglich geplant geht es der Nato nicht um den Aufbau komplett neuer Strukturen, sondern primär um die Zusammenlegung bisheriger Abwehrfähigkeiten der einzelnen Mitgliedsstaaten des Bündnisses. Bis 2020 soll das Abwehrsystem schrittweise ausgebaut werden, um in der Endphase das gesamte europäische Nato-Territorium zu schützen.

Russland verlangt im Streit über den Nato-Raketenschild eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe und ein gemeinsames System. Das lehnen die USA genauso ab wie einen von Moskau geforderten rechtlich verbindlichen Vertrag. Die Nato bietet hingegen umfassende politische Garantien, Transparenz- und Verifikationsmaßnahmen sowie den Austausch von Daten und Experten an.

(APD)
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