Wahlen in Großbritannien Mhairi Black verkörpert Labours Elend

London · Der Niedergang von Labour ist insbesondere in Schottland beispiellos. Die einstige Hochburg fiel bei den Parlamentswahlen komplett in die Hand der Scottish National Party. Symptomatisch: Selbst der als Außenminister in Stellung gebrachte Labour-Kandidat konnte sich nicht durchsetzen. Er verlor gegen die 20-jährige Politikstudentin Mhairi Black. Sie zieht jetzt als jüngste Abgeordnete seit 1667 ins Unterhaus ein.

 Die 20-jährige Mhairi Black von der Schottischen Nationalpartei fuhr gegen den Labour-Kandidaten Douglas Alexander (im Hintergrund) einen überaus deutlichen Sieg ein.

Die 20-jährige Mhairi Black von der Schottischen Nationalpartei fuhr gegen den Labour-Kandidaten Douglas Alexander (im Hintergrund) einen überaus deutlichen Sieg ein.

Foto: ap

In ihrem schottischen Wahlkreis Paisley kam die junge Kandidatin von der Scottish National Party (SNP) auf 51 Prozent der Stimmen und nahm damit dem Labour-Spitzenpolitiker und Wahlkampfmanager der Partei, Douglas Alexander, das Direktmandat ab.

Die Deutlichkeit der Niederlage tut Labour weh. Alexander war der Schatten-Außenminister von Labour-Spitzenkandidat Ed Miliband, jetzt verliert er seinen Platz im Parlament. Bei der Wahl 2010 hatte er den Wahlkreis noch mit 60 Prozent der Stimmen geholt, fünf Jahre später waren es jetzt nur noch knapp 18 Prozent.

Für die Sozialdemokraten ist seine Niederlage die vielleicht größte Demütigung dieser Wahl. Jahrzehntelang befand sich das traditionell linke Schottland in ihrer Hand. Links bleibt der Norden auch weiterhin. Aber nicht in der Hand von Labour, sondern der der Schottischen Nationalpartei. Vor allem dank ihrer charismatischen Führungsfigur Nicola Sturgeon haben die Nationalisten die Region im Sturm erobert. Nach dem verloreren Referendum über die schottische Unabhängigkeit flogen ihr die Herzen zu.

Und Labor? Geht in Sack und Asche. Die Umfragen hatten Spitzenkandidat Ed Miliband auf Augenhöhe mit premier David Cameron gesehen und ein dramatisch enges Rennen vorausgesagt. Es kam anders. Cameron kann vermutlich sogar allein regieren und distanziert Labour deutlich. Hier die Ergebnisse im Überblick.

Das Desaster haben sich die Sozialdemokraten selbst zuzuschreiben. Viele Briten war womöglich nicht ganz geheuer bei der Aussicht auf eine linke Minderheitsregierung am Gängelband der unkalkulierbaren SNP, die im Wahlkampf nicht müde wurde, teure Sozialversprechen zu machen. Miliband hatte insoweit die Last zu tragen, wie sie viele Sozialdemokraten in Europa nur zu gut kennen: Den einen war er nicht links genug, den anderen zu moderat.

Die Quittung erhielt er in brutaler Deutlichkeit in Schottland. Viele Wähler dort lasteten der Partei an, sich im Zuge des Referendums zu eng an die Tories angelehnt und keine Schritte zur Erfüllung früherer Versprechen unternommen zu haben. Miliband steht nun maximal unter Druck. Britische Zeitungen zitieren Führungsfiguren der Partei, die davon ausgehen, dass Miliband am Samstag seinen Rücktritt erklären wird.

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Eine erste Prognose sah die SNP nach der Wahl am Donnerstag bei 58 von 59 möglichen schottischen Direktmandaten im Parlament in Westminster. Auch der schottische Labour-Chef Jim Murphy verlor seinen Sitz im Parlament an die SNP.

Der frühere Erste Minister von Schottland, Alex Salmond, sagte: "Heute Nacht wird ein Löwe brüllen, ein schottischer Löwe, und er wird mit einer Stimme brüllen, die keine Regierung, welcher politischen Couleur auch immer, ignorieren kann."

Nachwuchspolitikerin Black dankte nach ihrer Wahl ihren Eltern und ihren Freunden. Sie sei schon immer politisch engagiert gewesen, es gehe ihr vor allem um soziale Gerechtigkeit. Ihren Erfolg führte sie auf Folgendes zurück: "Ich denke, die Leute haben wirklich erkannt, dass dieses Westminster-Establishment ihnen nicht gedient hat."

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Durch ihre Wahl werde ihrem Wahlkreis und "ganz Schottland" in Westminister mehr Gehör verschafft als je zuvor, sagte Black nach Bekanntgabe ihres Siegs vor jubelnden Anhängern. "Ich verspreche, diese Stimme nicht nur für Verbesserungen in Schottland, sondern auch für fortschrittliche Politik zum Wohle der Menschen in ganz Großbritannien zu nutzen." Die Sparpolitik der Regierung, die die Menschen im ganzen Land treffe, müsse beendet werden.

Bislang hatte die SNP nur sechs Abgeordnete im britischen Unterhaus gestellt. Das überaus starke Ergebnis schürt in anderen Teilen Großbritanniens die Befürchtung, dass es in Schottland schon bald einen neuen Anlauf für ein Unabhängigkeitsreferendum geben könnte.

(dpa AFP AP)
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