Präsident Goodluck Jonathan in der Kritik Nigeria findet kein Rezept gegen Boko-Haram-Terror

Abuja · Nach jeder Bombe, nach jeder neuen Hiobsbotschaft macht der nigerianische Präsident Goodluck Jonathan neue Versprechen. Seine Regierung werde die Terrortruppe Boko Haram besiegen, sagt er selbstbewusst. Dabei scheint der Politiker mit dem schwarzen Hut als Markenzeichen weder eine Idee noch ein Rezept zu haben, um der radikalen Islamisten Herr zu werden.

 Goodluck Jonathan kann dem Terror der Islamisten in Nigeria keinen Einhalt gebieten.

Goodluck Jonathan kann dem Terror der Islamisten in Nigeria keinen Einhalt gebieten.

Foto: dpa, Hannibal Hanschke

Stattdessen wird der Abstand zwischen den Anschlägen immer kürzer - und die Durchführung immer brutaler. Längst konzentrieren sich die Extremisten nicht mehr auf den islamisch dominierten Norden des westafrikanischen Landes, wie Anfang der Woche der verheerende Bombenangriff auf einen Busbahnhof in der Hauptstadt Abuja zeigte. Jonathan gab sich wie immer schockiert - aber seine neuen Versprechen wirken schlicht hilflos.

"Das Problem Boko Haram ist temporär", erklärte der Staatschef seinem trauernden Land nach der Abuja-Attacke mit vermutlich weit über 200 Toten. Die Behauptung stimmte viele nachdenklich, verbreitet die Boko Haram doch schon seit 2009 ihren Terror mit bis heute weit über 6000 Opfern. Der Ausdruck "temporär" scheint da nicht mehr recht passen zu wollen.

Nur wenige Stunden später wurde denn auch bekannt, dass mutmaßliche Mitglieder der Sekte mindestens hundert Mädchen aus einer Schule im Bundesstaat Borno Norden des Landes entführt hatten. Obwohl die Polizei nach den Schülerinnen fahndet, gilt es als unwahrscheinlich, dass sie gefunden werden. Fast noch nie hat die Regierung es geschafft, der völlig verängstigten Bevölkerung die Verantwortlichen für derlei Taten zu präsentieren - geschweige denn, diese vor Gericht zu bringen.

Die zuständigen Sicherheitskräfte betonten immerhin: "Wir haben das Fahrzeug lokalisiert, in dem die Mädchen verschleppt wurden. Jetzt suchen unsere Männer nach den Tätern." Das wahrscheinlichere Szenario: Die Schülerinnen werden die nächsten Jahre ihres Lebens als Sexsklavinnen in einem tief in den Wäldern verborgenen Rebellencamp dahinsiechen.

Jonathan reiste derweil am Dienstag mit zahlreichen Funktionären seiner Regierung nach Kano, um eine Wahlkampfveranstaltung abzuhalten. Anfang 2015 steht im bevölkerungsreichsten Land Afrikas die nächste Präsidentenwahl an. Oppositionelle und Bürger reagierten am Mittwoch in sozialen Netzwerken wütend und schockiert.

Der frühere Militärchef General Muhammas Buhari kritisierte auf seiner Facebook-Seite, das Verhalten des Präsidenten sei "unfassbar und völlig respektlos" und fügte hinzu: "Ich frage wie jeder andere Nigerianer: Was für eine Tragödie muss noch passieren, wie hoch muss die Zahl der Toten sein, welche Unmenschlichkeit müssen die Terroristen noch zeigen, damit die Regierung sich darum bemüht, die Verantwortlichen dieser Gewalt vor Gericht zu bringen?"

Der Gouverneur des Bundesstaates Kano, Rabi'u Musa Kwankwaso , betonte: "Zu einer Zeit, in der unschuldige Leben verloren gehen und viele der Opfer im Krankenhaus auf Bluttransfusionen warten, um zu überleben, fährt der Präsident im Land herum, um Wahlkampf zu betreiben." Derlei Verhalten sei mehr als taktlos.

"Die Tränen, die Präsident Jonathan beim Besuch des Busbahnhofs in Abuja vergoss waren Schein, nichts als Schein", meinte der Anwalt Festus Keyamo hinzu. "Wir hätten sieben Tage Staatstrauer für die Opfer ausrufen sollen, aber dann hätte Jonathan ja eine Woche lang nicht politisch aktiv sein dürfen."

Jonathan verteidigt sich gegen derlei Vorwürfe eher mit Standardfloskeln. "Die Regierung tut alles, was in ihrer Macht steht, um Fortschritte in unserm Land zu machen. Wir werden darüber hinwegkommen", versicherte er.

Aber Experten der Denkfabrik International Crisis Group (ICG) warnen, die wachsende Stärke und Verbreitung von Boko Haram bedrohe nicht nur die Stabilität Nigerias, sondern auch die der Nachbarländer. Ein wesentlicher Grund dafür sei, dass es Nigerias politischer Elite am "Willen zu radikalen Reformen in der Regierung und der polischen Kultur fehlt", wie der Direktor von ICG Afrika, Comfort Ero, betonte. Nur deshalb sei der wachsende Einfluss von Boko Haram möglich gewesen.

Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch macht die Regierung Jonathans mitverantwortlich für den anhaltenden Terror. Das Versagen der nigerianischen Behörden, die Angriffe zu untersuchen oder die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen, verschärfe weiter die "Spirale der Gewalt", sagte der Afrika-Direktor der Organisation, Daniel Bekele.

(dpa)
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