Eiszeit zwischen Iran und sunnitischen Golfstaaten Wer war der von Saudi-Arabien hingerichtete Geistliche?

Kairo · Nach der Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr in Saudi-Arabien ist es zwischen dem Land und dem Iran zu neuen Spannungen gekommen. Vorläufiger Höhepunkt: der Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Wer aber war Nimr al-Nimr?

Die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran
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Foto: dpa, ya sw lof

Mit der Hinrichtung von Nimr Baker al-Nimr hat sich das saudiarabische Herrscherhaus eines unbequemen Kritikers entledigt, doch belastet die Exekution des charismatischen schiitischen Geistlichen das ohnehin schwierige Verhältnis zu den Schiiten. Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei warnte das Königreich am Sonntag vor der "Rache Gottes". Schließlich brach Saudi-Arabien die diplomatischen Beziehungen zu Teheran ab.

Wer war der Mann, dessen Hinrichtung derart heftige Reaktionen auslöst? Der Schiit aus dem Osten Saudi-Arabiens war nach der iranischen Revolution 1979 zu theologischen Studien in den Iran gegangen. Erst 1994 kehrte er als islamischer Rechtsgelehrter in sein Heimatdorf Awamija zurück, wo er die Leitung der Imam-Hussein-Moschee übernahm. Wegen seiner Predigten, in denen er mehr Rechte für die schiitischen Minderheit forderte, wurde der graubärtige Gelehrte seit 2003 immer wieder festgenommen. Dabei sprach er sich für friedlichen Protest aus.

Die Schiiten klagen in Saudi-Arabien, in dem eine besonders strenge Auslegung des sunnitischen Islam gilt, seit Langem über religiöse und soziale Diskriminierung. Riad verdächtigt die Schiiten wiederum, Sympathien für den Iran zu hegen. Al-Nimr habe eine "besondere und herausgehobene Stellung" unter den Schiiten gehabt, sagte sein Bruder Mohammed al-Nimr am Samstag. Er sei "ein bescheidener, religiöser Mann gewesen, der ein einfaches Leben führte, was ihn für die Jugend attraktiv gemacht hat".

Im Jahr 2009 zog al-Nimr den Zorn des Herrscherhauses auf sich, als er forderte, die östlichen Provinzen Katif und Al-Ihsaa, in denen die meisten der rund zwei Millionen Schiiten Saudi-Arabiens leben, an das mehrheitlich schiitische Nachbarland Bahrain anzuschließen. Als im Frühjahr 2011 der Arabische Frühling begann, organisierte al-Nimr auch in Saudi-Arabien Proteste. Nach dem Tod mehrere schiitischer Demonstranten rief er dazu auf, friedlich für mehr politische Rechte zu kämpfen.

Als al-Nimr 2012 den Tod von Innenminister Prinz Najef bin Abdulasis begrüßte, brachte dies das Fass zum Überlaufen. "Mögen die Würmer ihn fressen", sagte al-Nimr in einem Video, das im Internet Verbreitung fand. Zudem kritisierte er Riads Vorgehen in Saudi-Arabien und Bahrain, wo saudiarabische Truppen im Frühjahr 2011 eine schiitische Protestbewegung niedergeschlagen hatten.

Am 8. Juli 2012 wurde al-Nimr schließlich festgenommen, wobei ihm wegen "Widerstands" ins Bein geschossen wurde. Seine Festnahme löste tagelange Proteste in seiner Heimatregion aus, doch ließ sich Riad nicht beirren. Wegen Schürens religiöser Konflikte, "Ungehorsams gegenüber dem Herrscher" und illegalen Waffenbesitzes wurde al-Nimr im Oktober 2014 zum Tode verurteilt. Menschenrechtsorganisationen kritisierten das Verfahren als "zutiefst fehlerhaft".

Am Samstag wurde er nun im Alter von 56 Jahren zusammen mit 46 weiteren Männern exekutiert. Seinem Sohn Ali, der mit nur 17 Jahren ebenfalls festgenommen und in Haft angeblich gefoltert wurde, droht ebenfalls die Hinrichtung.

Al-Nimrs Tod löste in seiner Heimatregion Proteste aus. Auch im Iran, im Irak, im Libanon und in Bahrain gingen zahlreiche wütende Schiiten auf die Straße. Al-Nimrs Bruder sagte, ihm sei gesagt worden, die Familie werde die Leiche nicht zur Beerdigung zurückerhalten. Sein Bruder habe "Worte gesprochen, die womöglich hart waren", doch hätte er dafür "politisch zur Rechenschaft gezogen" und nicht hingerichtet werden, sagte Mohammed al-Nimr.

Vor seiner Festnahme 2012 warnte Al-Nimr in einer Predigt: "Ich bin sicher, dass meine Verhaftung oder mein Tod Auslöser von Handlungen sein werden."

(das/AFP/dpa)
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