IS verwüstet antike Stadt im Nordirak Unesco verurteilt Zertsörung Nimruds als Kriegsverbrechen

Bagdad · Dass die Terrormiliz Islamischer Staat das Kulturerbe der Welt mit Füßen tritt, ist bekannt. Nun haben die Islamisten mit neuerlichem Kulturvandalismus für Entsetzen gesorgt: Diesmal traf es die antike Ruinenstätte Nimrud. Archäologen sind empört.

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Die Terrormiliz Islamischer Staat setzt die Vernichtung von Kulturgütern im Irak fort. Mit schweren Militärfahrzeugen hätten die Dschihadisten die bekannte Ruinenstätte der antiken Stadt Nimrud dem Erdboden gleichgemacht, teilte die Regierung in Bagdad mit. Über das genaue Ausmaß der Schäden gab es zunächst keine weiteren Details. Der Irak und westliche Forscher verurteilten den Kulturvandalismus der IS-Miliz scharf.

Unesco spricht von "Kriegsverbrechen"

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Die Generaldirektorin der Weltkulturorganisation Unesco, Irina Bokowa, hat die Zerstörungen von antiken Statuen in Nimrud als Kriegsverbrechen verurteilt. Der erneute Angriff des IS gegen das irakische Volk zeige, dass die vermeintliche "kulturelle Reinigung" im Irak nichts und niemanden verschone, sagte Bokowa am Freitag. Sie habe sich in dieser Angelegenheit an den Weltsicherheitsrat und an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gewandt.

Angesichts der systematischen Zerstörung der jahrtausendealten Erbes rief Bokowa die Verantwortlichen in Politik und Religion auf, ihre Stimme "gegen diese erneute Barbarei" zu erheben und daran zu erinnern, dass es keine politische oder religiöse Rechtfertigung für solche Kriegsverbrechen gebe. Gleichzeitig müssten die Menschen im Irak ihr Erbe mit allen Mitteln schützen.

Isis/IS - Islamischer Staat im Irak und Syrien
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Foto: dpa, sdt moa

Das mehr als 3300 Jahre alte Nimrud war als ehemalige Hauptstadt des assyrischen Reiches bekannt für seine antiken Statuen, Fresken und alten Schriftstücke. IS-Milizen hatten die Ausgrabungen am Donnerstag mit Bulldozern angegriffen und zerstört.

Der Archäologe und Vorderasien-Experte Reinhard Bernbeck wertete die Zerstörungen als "unersetzlichen Verlust". Im Deutschlandradio Kultur sagte der Berliner Forscher am Freitag, erst dadurch, dass kulturhistorisch bedeutende Stätten wie die alte Königsstadt Nimrud speziell in der westlichen Welt "mit spezifischen Werten aufgeladen" worden seien, sei ihre Zerstörung für den IS lohnend geworden.

Im Irak kursierten regelrechte "Rekrutierungsvideos", in denen es darum gehe, den Akt der Zerstörung als etwas Attraktives erscheinen zu lassen. Es werde versucht, in Nordost-Syrien und im Nordirak fast die gesamte kulturelle Vergangenheit zu zerstören, um einen "geschichtlich völlig befreiten Raum zu haben, auf dem man etwas anderes aufbauen kann", so Bernbeck.

Mit Blick auf die Zerstörung der Buddha-Figuren von Bamian in Afghanistan durch die Taliban im März 2001 sagte der Wissenschaftler: "Man kann davon ausgehen, dass das ein Akt war, der eindeutig gegen den Westen gerichtet war." Damals habe es Bestrebungen gegeben, diese Statuen von den Taliban zu kaufen.

Artefaktverkauf zur Finanzierung des Krieges

Gefolgsleute des IS sehen in antiken Kulturgütern Symbole des Abfalls vom Glauben, die es zu beseitigen gelte. Erst vergangene Woche hatten die Extremisten mit der Zerstörung von archäologischen Kunstwerken von unschätzbarem Wert weltweit für Entsetzen gesorgt. Auf einem IS-Video war zu sehen, wie sie am Stadtmuseum von Mossul mit Hämmern und Bohrern jahrtausendealte Statuen zerkleinerten.

Die Wissenschaftlerin Suzanne Bott nahm zwischen 2008 und 2010 in Nimrud mehrmals an Sanierungsprojekten in Nimrud teil. Die Stätte sei eine von vier assyrischen Hauptstädten gewesen, in denen Medizin, Astrologie, Landwirtschaft und Handel praktiziert worden sei. Auch einige der frühesten Schriften habe sie beherbergt. "Sie wird in der Tat als Wiege der westlichen Zivilisation bezeichnet, deshalb ist dieser Verlust so niederschmetternd", sagte Bott, die an der Universität von Arizona als Projektleiterin für den Erhalt des Kulturerbes im Irak und in Afghanistan arbeitet.

Jack Green, Chefkurator am Orientalischen Institut der Universität von Chicago, wies darauf hin, dass die IS-Miliz zur Finanzierung ihres Krieges oft Artefakte verkauft, die sich forttragen lassen. Die größeren Kunstwerke und Skulpturen würden an Ort und Stelle zerstört.

Die Terrormiliz beherrscht weite Teile des Irak und Syriens. In ihrem sogenannten Kalifat verfolgen die sunnitischen Extremisten Angehörige anderer Religionsgruppen.

(ap)
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