Walter-Borjans hilft Alexis Tsipras Rosen aus Athen für den NRW-Finanzminister

Athen · Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) ist in schwieriger Mission unterwegs. Ausgerechnet den Griechen will er helfen, eine effiziente und saubere Finanzverwaltung aufzubauen.

Norbert Walter-Borjans und Alexis Tsipras zu Verhandlungen in Athen
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Walter-Borjans und Tsipras tauschen sich zu Steuerhinterziehung aus

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Foto: dpa, sp ase

Das Land, gebeutelt durch gigantische Schuldenlast, grassierende Arbeitslosigkeit und katastrophale Wirtschaftslage, soll auf einmal seine Bürger gleichmäßig zur Kasse bitten — die Reichen wie die Armen, abhängig von ihren Kräften, wie es in ihrer Verfassung heißt, unabhängig von Gesellschaftsrang oder Einfluss. Ein mutiges, vielleicht sogar tollkühnes Unterfangen.

Aber Walter-Borjans hat einen langen Atem. Schon 2012 hatte er der damaligen konservativen griechischen Regierung angeboten, beim Aufbau einer Steuerverwaltung zu helfen. Sowohl der Düsseldorfer Generalkonsul wie auch der stellvertretende Außenminister waren begeistert, empfingen den NRW-Politiker und ließen dann nichts mehr von sich hören. Es war die Zeit der berühmten Lagarde-Liste, benannt nach Christine Lagarde, der Chefin des Internationalen Währungsfonds, die griechische Steuersünder in großer Zahl auflistete und den griechischen Behörden überstellte. Auch sie wurde nicht weiter beachtet und tauchte erst wieder auf, nachdem der frühere Finanzminister Giorgos Papakonstantinou einige Freunde und Verwandte aus dieser Liste entfernt hatte. Immerhin wurde der einstige Amtsträger inzwischen zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.

Der nordrhein-westfälische Finanzminister war also gewarnt, als er von der linksorientierten griechischen Regierung jetzt sogar nach Daten über Steuerbetrüger gefragt wurde, die er in inzwischen elf Steuer-CDs gesammelt hatte. Athen interessierte sich vor allem für die griechischen Staatsbürger mit Franken-Konten bei der Schweizer Großbank UBS. Die konnte der Finanzminister aus Düsseldorf liefern. Vermittelt hatte den Kontakt die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sigrid Skarpelis-Sperk, eine Parteilinke, die über ihren verstorbenen griechischen Ehemann enge Kontakte zur griechischen Linken hatte. Doch der Minister blieb skeptisch. "Ich kann die Daten nur anbieten", meint Walter-Borjans. "Die Griechen müssen selbst wissen, was sie damit machen."

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Foto: Phil Ninh

Es scheint diesmal tatsächlich anders zu verlaufen. Wie ein Bundesminister wurde der Chef des NRW-Finanzressorts am Samstag sogar von Ministerpräsident Alexis Tsipras und seinem Finanzminister Euklid Tsakalotos empfangen. Mehr als eine halbe Stunde unterhielt sich der einstige Star der europäischen Linken mit dem bodenständigen Finanzminister aus Düsseldorf. "Es ist höchste Zeit zu zahlen", forderte der Links-Politiker seine Landsleute auf, die bislang ihre Steuern am Fiskus vorbeigeschafft hatten. "Solche Leute können jetzt nicht mehr allzu gut schlafen", setzte er oben drauf. Und dann bezirzte er förmlich seinen Gast. "Sie sind hier berühmt in Griechenland", lobte er den nordrhein-westfälischen Politiker. Der antwortete artig: "Auch in der Schweiz bin ich wegen der Steuer-CDs berühmt. Aber es fühlt sich in Griechenland deutlich besser an.

Walter-Borjans schwimmt auf einer Welle der Sympathie. Die griechischen Medien empfinden es als positiven Schock, dass der Düsseldorfer Finanzminister mit seinen CDs rund zwei Milliarden Euro mehr einnahm. Von der Liste der griechischen Steuersünder, sie heißt hier Borjans-Liste, will nun der griechische Staat profitieren. Gemeinsam mit Vizefinanzminister Tryfon Alexiadis und Vizejustizminister Dimitrios Papagelopoulos unterschrieb er — ebenfalls am Samstag — in Athen ein Abkommen zur gegenseitigen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Steuerverwaltung und der Übermittlung von vertraulichen Steuerdaten. Denn die geringen Staatseinnahmen sind weiterhin die Achillesferse der griechischen Administration. In keinem anderen EU-Land wird so viel an Steuern hinterzogen wie in Griechenland.

"Wir haben die Steuerhinterziehung gesellschaftlich akzeptiert", meint Costas Bakouris, Chef von Transparency International in Griechenland. Allein bei der Umsatzsteuer liegen die Ausfälle durch Betrug bei einem Drittel, im Rest Europas sind es zehn Prozent, schätzt die EU-Kommission. Der stellvertretende Außenminister Tryfon Alexiadis schätzt die Steuerausfälle durch Betrug auf 15 bis 20 Milliarden Euro - bei einem Gesamtsteueraufkommen von gerade einmal 46 Milliarden Euro.

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Foto: afp, lg/JH

Die Links-Rechts-Regierung in Athen feiert die Borjans-Liste wie einen Sieg über die verkommene Steuermoral des Landes. Die Zahl der Steuerverfahren liegt nach Auskunft von Alexiadis derzeit bei 38.000. Dabei sind die CDs der beiden Großbanken UBS und der britischen HSBC noch nicht einmal enthalten. Die Datensätze sind gerade erst ausgewertet worden. Binnen sechs Monaten sollen nun weitere Strafverfahren folgen oder die Personen auf der Liste geben ihre betrügerischen Transaktionen zu. Zuletzt wirbelte eine Steuerrazzia die gute Gesellschaft der großen und kleinen Betrüger auf. Sie förderte viel Peinliches zutage - bekannte Unternehmer, Politiker und Schauspieler, selbst prominenten Journalisten stehen danach unter Verdacht, ihr Vermögen in Franken-Konten angelegt und damit Steuern hinterzogen zu haben.

Doch die Mühlen der griechischen Justiz mahlen langsam. Gerade einmal 300 Steuerfahnder hat das Land. Insgesamt arbeiten in der Steuerverwaltung 9000 Personen, in den Zollämtern nur 2000. Im EU-Schnitt sind es im Verhältnis zur Bevölkerungszahl doppelt so viele. Zur vollständigen Auswertung der Listen bräuchte Griechenland 300 zusätzliche Steuerfahnder. Nach Auskunft von Experten hat der Fiskus gerade einmal zehn Bilanzspezialisten. Der Tiger wirkt reichlich zahnlos. Im Zuge der Sparmaßnahmen hat die Vorgängerregierung von Tsipras sogar das einzige Institut für die Weiterbildung von Finanzbeamten geschlossen. Es wird nun mühsam wieder aufgebaut. Nordrhein-Westfalen hilft mit der Ausbildung von weiteren 50 Fachleuten auf den ausgezeichneten Akademien des Landes. Das wird alles nicht reichen. Aber der Steuer-Entwicklungshilfeminister aus Düsseldorf gibt nicht auf. Ein Anfang sei gemacht, davon könnten alle nur profitieren - das Land wie die Gläubiger.

Doch so freundlich er auch in Athen aufgenommen wird: Walter-Borjans macht sich keine Illusionen. Eine funktionierende Steuerverwaltung kann nicht über Nacht entstehen. Sie erfordert Erfahrung, Lernbereitschaft und eine unbestechliche Administration. Von allem ist Griechenland weit entfernt, selbst wenn die jetzige Regierung stärker gegen das Establishment der Steuerhinterzieher vorgeht. Der stellvertretende Justizminister, der frühere Geheimdienstchef Dimitrios Papangelopoulos, spricht sogar von "Krieg". Auffällig ist, dass Tsipras gleich nach seiner Amtsübernahme Anfang vergangenen Jahres Besuch von mehreren Oligarchen erhielt. Viele Maßnahmen der Steuerpolizei richteten sich danach gegen Beschäftigte ausländischer Unternehmen, an der Spitze Siemens. Das ist populär und richtet bei den eigenen Leuten mit viel Einfluss nicht allzu viel Schaden an. Den Beweis, dass die griechische Regierung rigoros gegen die Steuerhinterzieher des eigenen Landes vorgeht, bleibt sie vorerst noch schuldig.

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