Affäre um US-Geheimdienst NSA hat sich in rund 100.000 Computer eingenistet

New York · Erst wurde bekannt, dass die Verhandlungen über ein Geheimdienstabkommen mit den USA stocken, nun gibt es neue Details über die NSA. Der US-Geheimdienst hat einem US-Medienbericht zufolge in knapp 100.000 Computer weltweit Software eingespeist.

So späht die NSA PCs ohne Internetzugang aus
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Foto: dpa, Jim Lo Scalzo

Damit sei es dem US-Geheimdienst einerseits möglich, die Geräte und private Netzwerke heimlich zu überwachen, berichtete die "New York Times" (online) in der Nacht auf Mittwoch. Zudem könne die NSA dies aber auch für Cyberattacken nutzen. Der Dienst selbst beschrieb sein Vorgehen dem Bericht zufolge als "aktive Verteidigung" und nicht als Angriffsinstrument.

Wie die Zeitung unter Berufung auf NSA-Dokumente, Computerexperten und US-Regierungsvertreter weiter berichtete, wurde die Software in den meisten Fällen über Computer-Netzwerke installiert. Die NSA habe aber auch verstärkt eine Technologie angewendet, die ihr Zugriff auf Computer erlaubt, auch wenn diese gar nicht mit dem Internet verbunden sind. Die Technologie basiere auf Radiowellen, die Daten über heimlich in die Computer eingesetzte Bauteile übermitteln würden. In den meisten Fällen müssen diese demnach von Agenten, Herstellern oder ahnungslosen Nutzern in die Geräte eingebaut worden sein.

Aktuelle Stunde im Bundestag

Die stockenden Verhandlungen für ein Geheimdienstabkommen mit den USA beschäftigen derweil am heutigen Mittwoch auch den Bundestag. Die Linksfraktion hat dazu eine Aktuelle Stunde beantragt. Das Europäische Parlament will zudem über die Abhöraktionen der NSA in Europa debattieren.

Führende Experten aus den Vereinigten Staaten bezeichneten das millionenfache Datensammeln des US-Dienstes derweil als unerlässlich im Kampf gegen den Terrorismus. US-Präsident Barack Obama will sich am Freitag äußern, ob er die Geheimdienste an die Kette legt.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, der CDU-Politiker Elmar Brok, drohte mit Blick auf Washingtons Bremserei bei den Verhandlungen mit Konsequenzen: "Diese Entwicklung wie auch die bisherige Weigerung der Amerikaner, ein Datenschutzabkommen mit der Europäischen Union abzuschließen, gefährdet den Abschluss des Freihandelsabkommens", sagte er der Zeitung "Neue Westfälische". "Die Haltung der US-Administration ist unakzeptabel im Umgang zwischen Freunden."

Das bilaterale Abkommen über die künftige Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten der USA und Deutschlands sollte eine Konsequenz aus der NSA-Spionageaffäre sein. Auf US-Seite gibt es aber große Vorbehalte gegen weitreichende Einschränkungen der Spionage — nicht allein in Deutschland. Daher ist offen, wie die geplante Vereinbarung aussehen wird und ob es überhaupt eine geben wird.

Die von Obama eingesetzte Expertengruppe sprach sich am Dienstag (Ortszeit) vor einem Kongressausschuss in Washington zwar für Änderungen zum Schutz der Privatsphäre aus, doch das Programm an sich soll aus ihrer Sicht fortgesetzt werden.

Mehr Druck auf US-Regierung verlangt

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer, schlug in der "Mitteldeutschen Zeitung" (Online) vor, in Auftragsausschreibungen der öffentlichen Hand aufzunehmen, dass US-Firmen die europäischen und deutschen Datenschutzstandards einhalten müssen.

Der Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, konstatierte im selben Medium: "Sieben Monate nach Beginn des NSA-Skandals steht die Bundesregierung völlig nackt da. Absolut nichts von dem Bisschen, was die Regierung überhaupt unternommen und von den USA erbeten hat, war erfolgreich. Noch nicht einmal eine glaubhafte Zusicherung, dass die NSA auf das Abhören von Merkels Handy verzichtet, ließ sich mit der mehr als devoten Linie umsetzen."

Spitzenvertreter von Koalition und Opposition hatten bereits am Dienstag mehr Druck auf die USA verlangt. "Die Koalitionsfraktionen sind sich einig, dass ein belastbares Anti-Spionage-Abkommen zwischen Deutschland und den USA kommen muss", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Ein Scheitern würde die Beziehungen zu den USA verändern.

Nach Angaben von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bemühen sich Deutschland und die USA weiterhin um das Abkommen. "Die Gespräche werden fortgesetzt", sagte sie nach Teilnehmerangaben in einer Sitzung der Unionsfraktion. Es müssten aber Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt werden. Für die Bundesregierung gelte weiterhin, dass die USA auf deutschem Boden deutsches Recht einhalten müssten.

(dpa)
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