Debatte um Datenschutz in den USA NSA sammelt offenbar systematisch Telefondaten

Washington · Jeder Anruf, jeden Tag: Die US-Regierung sammelt offenbar auch unter Präsident Barack Obama heimlich gigantische Mengen von Telefonverbindungsdaten normaler Bürger.

Barack Obamas schwierige Reden
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Die demokratische US-Senatorin Dianne Feinstein bestätigte am Donnerstag in Washington indirekt einen entsprechenden Bericht des britischen "Guardian". Die US-Regierung verteidigte die Datensammlung. Doch löste die Praxis auch in Obamas demokratischer Partei Unruhe aus. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Al Gore äußerte lautstarke Empörung.

Der "Guardian" hatte konkret von einer geheimen gerichtlichen Anordnung berichtet, mit der die Nationale Sicherheitsbehörde NSA derzeit die Daten aller Kunden des Telefonkonzerns Verizon sammeln lässt. Die Anordnung vom 25. April gelte noch bis 19. Juli, berichtete die Londoner Zeitung. Sie verpflichte Verizon - mit 121 Millionen Kunden einer der größten Telefonkonzerne der USA - der NSA täglich Informationen über alle Telefongespräche in ihren System zu übermitteln - seien es Inlands- oder Auslandsgespräche.

Die Zeitung schrieb, es sei das erste Mal in Obamas Regierungszeit, dass Kommunikationsdaten von Millionen US-Bürgern unterschiedslos und unabhängig von einer Straftat gesammelt werden.

Senatorin: Das ist gängige Praxis

Senatorin Feinstein, die den Geheimdienstausschuss im Senat leitet, stellte das aber etwas anders dar. Nach ihren Worten ist die jetzt bekannt gewordene gerichtliche Anordnung nur die dreimonatige Fortschreibung einer gängigen Praxis. Auch aus US-Regierungskreisen hieß es, die Sammlung von Verbindungsdaten laufe schon seit Jahren. Sie sei ein wichtiges Element des Überwachungsprogramms der Regierung von Präsident George W. Bush gewesen.

Offiziell wollte sich das Weiße Haus zu dem Bericht nicht äußern. Auch aus Regierungskreisen wurde der "Guardian"-Bericht nicht bestätigt. Allerdings wurde die Echtheit des Dokuments nicht bestritten, auf das sich die Zeitung bezog. Es wurde dem Zeitungsbericht zufolge vom Geheimgericht Foreign Intelligence Surveillance Court ausgestellt und von Richter Roger Vinson unterzeichnet.

Die gesetzliche Grundlage für die Anordnung ist den Angaben zufolge der Patriot Act, der nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erlassen wurde. Dem Zeitungsbericht zufolge werden Daten wie Gesprächsdauer, Standort, Uhrzeit und Identifikationsnummern weitergegeben.

Aus den US-Regierungskreisen wurde betont, dass die Anweisung nicht das Abhören von Telefongesprächen erlaube. Die Datensammlung sei jedoch nötig, hieß es weiter. Weder die NSA noch Verizon nahmen zu dem Bericht Stellung.

Der frühere Vizepräsident Gore äußerte sich über den Kurznachrichtendienst Twitter: "Sehe nur ich das so oder ist diese flächendeckende Überwachung schamlos und empörend?" Der demokratische Senator Ron Wyden forderte die Obama-Regierung auf, die Fakten zu offenbaren. "Ich finde, sie haben die Pflicht, sofort zu reagieren", sagte Wyden.

Die Debatte über die Maßnahme könnte Obama weiter unter Druck setzen. Erst Mitte Mai war bekannt geworden, dass das US-Justizministerium heimlich Telefondaten von Journalisten der Nachrichtenagentur AP gesammlet hatte.

(ap/felt)
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