Mediziner nach israelischer Offensive überfordert Opferzahlen in Gaza-Stadt steigen weiter

Gaza (RPO). Der kriegerische Konflikt im Gaza-Streifen geht weiter und die Opferzahlen steigen: Bisher werden mindestens 282 Tote beklagt, die Zahl der Verletzten übersteigt 600 bei Weitem. Die ärztliche Versorgung stößt schon lange an ihre Grenzen.

Die Leichenhalle im El-Tschifa-Krankenhaus in Gaza ist überfüllt, aber Helfer tragen immer neue leblose Körper in das Gebäude, manchmal gleich mehrere auf einer Bahre. Von den Minaretten draußen schallen Trauergebete, die sich in den Fluren des Krankenhauses mit den Schreien der Verletzten mischen. Blutüberströmte Männer rufen nach einem Arzt oder einer Krankenschwester, doch die Mediziner wissen kaum, bei welchem zerfetzten Körper sie anfangen sollen. Mindestens 282 Palästinenser sind bei den israelischen Luftangriffen am Wochenende im Gazastreifen ums Leben gekommen, weit über 600 Menschen verletzt worden.

"Mein Bruder hat noch gelebt, als er hier ankam, er hat mit mir gesprochen", sagt Ahmed el Gharabli unter Tränen. "Aber niemand hat sich um ihn kümmern können, er ist gestorben." Ahmeds Bruder Baha arbeitete bei der Polizei der Hamas, wie viele der Opfer. Oft tragen die Leichen im El-Tschifa-Krankenhaus Uniform, zerrissen und voller Blut. Das Hauptquartier der radikalislamischen Hamas war eines der Hauptziele der israelischen Bomben - weil die Palästinenserorganisation immer wieder Raketen auf Israel abfeuert.

"Der Raketenbeschuss muss ein für allemal aufhören", sagt Jizchak Elia. "Solange wir keine Ruhe haben, haben die Menschen im Gazastreifen auch keine Ruhe." Elia wohnt im südisraelischen Netivot, etwa 20 Kilometer östlich des Gazastreifens, eine arme Stadt am Rande der Negev-Wüste. Am Samstag schlug hier ein Palästinenser-Geschoss mitten in ein vierstöckiges Wohnhaus ein, tötete einen 50-jährigen Israeli und verletzte zwei Frauen. Bei einer weiteren Raketenattacke in der Gegend erlitten zwei Menschen laut Rettungskräften schwere Verletzungen.

Gérard Koskas, der in dem zerstörten Haus lebt, war einer der ersten Helfer. "Meine Nachbarn waren blutüberströmt, von Trümmern und Glasscherben verletzt", sagte er. Die Angst, dass wieder eine Rakete einschlägt, ist in Netivot groß; die internationalen Appelle an Israel nach Verhältnismäßigkeit verstehen viele der 25.000 Einwohner deshalb nicht. Der beste Schutz vor den Raketen sei "der rücksichtslose Einsatz der Armee im Gazastreifen", fordert Moti Assulin. "Wir dürfen ihnen nicht die Möglichkeit geben, uns anzugreifen." Sein Nachbar, Moti Turdschman, sagt: "Die Palästinenser in Gaza müssen spüren, was wir spüren."

Im El-Tschifa-Krankenhaus in Gaza rufen Krankenhausbedienstete über Lautsprecher die sich vor der Tür drängelnden Angehörigen auf, die Leichen zu identifizieren und mit nach Hause zu nehmen. Auch Asmaa Abdo ist gekommen, Mutter von zwei Söhnen, beide Polizisten in der Ausbildung. "Man hat mir gesagt, dass meine Söhne tot seien", klagt sie. "Aber niemand hier kann mir das bestätigen."

Asmaa läuft barfuß, ihr Kopftuch ist auf die Schultern abgesackt. Sie flucht auf die Araber, die die Menschen im Gazastreifen ihrem Schicksal überließen, und auf Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der ebenfalls am Leid der Bevölkerung schuld sei. Doch Abbas amtiert in Ramallah im Westjordanland, seit der Machtübernahme der Hamas in Gaza im Sommer 2007 hat er praktisch jeden Einfluss auf den Küstenstreifen verloren.

Drinnen im Krankenhaus steht der Gesundheitsminister der Hamas, Bassem Naim, und beklagt vor Journalisten die vielen Opfer. "Unsere Mittel sind zu bescheiden, um mit diesem schrecklichen Massaker umzugehen", sagt Naim.

(AFP)
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