Lugansk vollständig umstellt Russischer Konvoi steckt vor ukrainischer Grenze fest

Kiew · Die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten in der Ost-Ukraine werden härter. Hilfe für leidende Menschen soll aus Moskau und Kiew kommen. Während der ukrainische Konvoi rollt, steht der russische vor der Grenze.

August 2014: Russischer Hilfskonvoi auf dem Weg in die Ukraine
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August 2014: Russischer Hilfskonvoi auf dem Weg in die Ukraine

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Die notleidenden Menschen in der ukrainischen Konfliktregion Donbass warten weiter auf Hilfe. Der umstrittene russische Konvoi mit Essen und Stromgeneratoren stand am Donnerstagnachmittag immer noch vor der Grenze nahe Lugansk. Die prowestliche Regierung in Kiew schickte eine Lastwagenkolonne mit rund 800 Tonnen Hilfsgütern nach Donezk und Lugansk los. Es herrschte weiter Streit um ein internationales Mandat für die Hilfe aus Moskau.

Die ukrainische Armee hat derweil die seit Wochen belagerte Rebellenhochburg Lugansk im Osten des Landes nach eigenen Angaben vollständig umstellt. Die Regierungstruppen hätten das Dorf Nowoswitliwka eingenommen und damit die letzte Verbindungsstraße zum russischen Grenzübergang von Iswaryn abgeschnitten, sagte der Armeesprecher Andrej Lyssenko am Donnerstag.

Damit sei Lugansk nun vollständig von der ukrainischen Armee eingeschlossen. Die Regierungstruppen versuchen seit Wochen, die Rebellenhochburg zu erobern, doch leisten die prorussischen Separatisten erbitterten Widerstand. Die humanitäre Lage in der Industriestadt ist äußert schwierig, da es seit zwei Wochen keinen Strom und kein Wasser mehr gibt und Lebensmittel und Treibstoff knapp sind.

Ukrainische Lastwagen treffen in Lugansk ein

Die zerstörten Häuser in der Ostukraine
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Die ersten ukrainischen Lastwagen mit Hilfe für die notleidenden Menschen in der Ost-Ukraine sind derweil an einem Sammelpunkt nördlich von Lugansk eingetroffen. 26 Fahrzeuge aus Charkow erreichten am Donnerstagabend die Stadt Starobelsk, wie der Sicherheitsrat in Kiew mitteilte. Mitarbeiter des Roten Kreuzes sortierten und sichteten die Waren, darunter Lebensmittel, Medikamente und Hygieneartikel.Insgesamt hat Kiew 75 Lastwagen aus Donezk, Charkow und Dnjepropetrowsk mit rund 800 Tonnen Hilfsgütern ins Krisengebiet geschickt.

Die Regierung tue alles, damit die Lieferungen in Lugansk ankommen. In der Großstadt mit mehr als 200 000 Einwohnern liegt seit fast zwei Wochen die Versorgung brach.

Kämpfe nehmen an Härte zu

Die Kämpfe zwischen ukrainischer Armee und prorussischen Aufständischen in der Konfliktregion nahmen erneut an Härte zu. Beobachter sprachen von einem der verlustreichsten Tage seit Beginn der "Anti-Terror-Operation" Mitte April. Die Regierungstruppen bombardierten die Großstadt Donezk, sagte Separatistenanführer Andrej Purgin der Agentur Interfax.

Ukraine: Im Luftschutzkeller von Donezk
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Ukraine: Im Luftschutzkeller von Donezk

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In der Ortschaft Sugres westlich von Donezk wurden mindestens 15 Menschen getötet, darunter 3 Kinder. 32 Menschen wurden verletzt. Seit Wochenbeginn wurden den Angaben zufolge im Donbass mehr als 70 Zivilisten getötet und mehr als 110 verletzt. Auch in Lugansk gab es nach Darstellung des Stadtrats zahlreiche Tote.

Die ukrainische Armee meldete ebenfalls Verluste. 9 Soldaten seien bei Gefechten getötet worden, 18 verletzt worden, sagte Andrej Lyssenko vom Sicherheitsrat in Kiew. An 20 Orten habe es Kämpfe mit den Aufständischen gegeben.

Eine der Folgen des Ukraine-Konflikts ist ein Handelsstreit zwischen dem Westen und Russland. Beide Seiten belegten sich gegenseitig mit Sanktionen. Auch das ukrainische Parlament verabschiedete ein Sanktionspaket gegen Russland in zweiter Lesung. Unklar war zunächst, ob davon auch die Durchleitung russischen Erdgases nach Westeuropa betroffen war.

Sollten die russischen Energieunternehmen Gazprom und Transneft in die Sanktionen einbezogen werden, könnte dies einen Stopp russischer Öl- und Gaslieferungen nach Westeuropa durch die Ukraine zur Folge haben. Die Europäische Union (EU) hatte das wichtige Transitland vor einem solchen Schritt gewarnt.

Russlands Präsident Putin forderte bei einem Treffen mit Ministern und Abgeordneten auf der Schwarzmeerhalbinsel Krim ein Ende des Tötens in der Ostukraine. Die Lage in der Ukraine sei eine humanitäre Katastrophe. "Russland wird alles in seiner Macht stehende tun, um die Kämpfe so schnell wie möglich zu beenden", betonte er.

Russland hat rund 2000 Tonnen Hilfsgüter Richtung Krisengebiet auf den Weg gebracht, darunter Medikamente, Lebensmittel und Stromgeneratoren. Der drei Kilometer lange Zug weißer Lastwagen hatte zuletzt wegen eines Streits mit der Ukraine um die Abwicklung der Hilfsmission die Route geändert und fuhr in die Nähe eines Grenzübergangs bei Lugansk. Von dort kann der Konvoi direkt auf ein Gebiet fahren, das von den Separatisten kontrolliert wird. Eine Route über Charkow wurde verworfen, weil Kiew Angriffe von Radikalen auf den Konvoi fürchtet.

Kiew will die russischen Hilfsmittel nur unter Kontrolle des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz ins Land lassen, wie Sozialministerin Ljudmilla Denissowa bekräftigte. Dafür müssten die Waren der Hilfsorganisation an der Grenze übergeben werden. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sprach mit seinem ukrainischen Kollegen Pawel Klimkin am Telefon über den Konflikt um den Konvoi aus Moskau.

Der Hilfstransport aus Moskau ist umstritten, weil die proeuropäische Regierung in Kiew Russland im Ostukraine-Konflikt als Aggressor ansieht. Moskau wies Vorwürfe zurück, der Konvoi könnte Waffen für die prorussischen Separatisten enthalten.

Nach dem Absturz des malaysischen Flugzeugs MH17 seien bisher 100 der 298 Opfer identifiziert, teilten die Justizbehörden in Charkow mit. Malaysia erklärte den 22. August zum nationalen Trauertag für die Opfer des Unglücks.

Militärchef der Separatisten tritt zurück

Der Militärchef der Separatisten in der Ost-Okraine, der Russe Igor Strelkow, hat derweil seinen Rücktritt erklärt. Die Rebellenführung der selbst erklärten "Volksrepublik Donezk" habe den Rücktritt Strelkows als "Verteidigungsminister" angenommen, erklärten die Rebellen am Donnerstag auf ihrer Internetseite. Strelkow werde einer anderen Tätigkeit nachgehen. Dazu, welchen Posten Strelkow nun übernehmen solle, machten die Separatisten keine Angaben.

Strelkow diente nach ukrainischen Angaben im Frühjahr 2014 zunächst als Sicherheitsberater von Sergej Aksjonow, dem selbsternannten Regierungschef der ukrainischen Halbinsel Krim, bevor diese von Russland annektiert wurde. Danach tauchte er im Osten der Ukraine als Anführer der Rebellen in der Stadt Slawjansk auf, später stieg er zum Verteidigungsminister der "Volksrepublik Donezk" auf.

(DEU)
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