Anschlag auf Schule in Pakistan "Alle hatten Schusswunden, alle Kinder haben geblutet"

Peshawar · Es sind Horrorszenen, die sich an diesem Dezembertag in der Stadt Peshawar im Nordwesten Pakistans abspielen: Beim Anschlag auf eine Schule in Pakistan sterben mindestens 130 Schüler. Die öffentliche Erklärung der Attentäter macht sprachlos.

Taliban stürmen Schule in Pakistan
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Immer wieder sind aus der Schule Schreie, Schüsse und Explosionen zu hören. Vor den Absperrungen rufen Eltern verzweifelt nach ihren Kindern. Überall in den Korridoren seien blutende Kinder gewesen, erzählen überlebende Schüler unter Schock. Die Attentäter seien von Klassenzimmer zu Klassenzimmer gegangen und hätten wahllos gefeuert.

Bei einem Überfall auf die vom Militär betriebene Schule haben die Taliban am Dienstag ein Massaker angerichtet. In einem Blutrausch töteten die nach Armeeangaben sechs Attentäter mindestens 140 Menschen, bis auf wenige Lehrer und Soldaten waren offenbar alle Schüler.

Schüler beschreiben Jagdszenen

Die beispiellose Schreckenstat schockierte nicht nur Pakistan, sondern die ganze Welt. Es war nicht nur der blutigste Anschlag seit Jahren, sondern auch der feigste: Erstmals waren die Opfer fast durchweg Schüler. Selbst im Gewalt gewohnten Pakistan hat der Terror damit eine neue Dimension erreicht. Die Taliban hatten es bislang nicht gezielt auf Kinder abgesehen.

Die Attentäter sollen gegen elf Uhr morgens, gekleidet in Uniformen, von einem benachbarten Friedhof auf das Schulgelände gelangt sein. Im Gebäude hielten sich zu diesem Zeitpunkt mehr als 500 Kinder und Lehrer auf. "Die Terroristen wollten so viele Menschen töten wie möglich. Und sie schienen nicht interessiert, Geiseln zu nehmen", sagte Mushtaq Ghani, Informationsminister der Provinz Khyber-Pakhtunkhwa.

Überlebende Schüler beschrieben Jagdszenen: "Wir rannten in unser Klassenzimmer, um uns zu retten. Doch die Kämpfer verfolgten uns und begannen zu schießen", erzählte der Schüler Aamir Ali. Binnen Sekunden verlor er zehn Klassenkameraden im Kugelhagel.

"Ich sah, wie Kinder zu Boden stürzten, weinten und schrien", berichtete der Schüler Abdullah Jamal, der selbst eine Schusswunde im Bein erlitt. "Alle hatten Schusswunden. Alle Kinder haben geblutet." Und Ahsan Mukhtar erzählt: "Als die Schießerei begann, sagten Lehrer, wir sollten uns flach auf den Boden legen und still sein. Wir blieben für eine Stunde liegen."

"Sie sollten unseren Schmerz spüren"

Die Terrororganisation Tehrek-e-Taliban Pakistan (TTP) bekannte sich zu dem Überfall. Die Attentäter hätten den Befehl gehabt, die kleineren Kinder laufen zu lassen, aber die größeren zu töten, sagte ein Taliban-Sprecher laut Medien. Damit habe die TTP ihre eigenen Kinder, Frauen und Familien rächen wollen, die das Militär bei der laufenden Offensive gegen die Taliban in der Grenzprovinz Nord-Wasiristan getötet habe: "Sie sollen unseren Schmerz spüren."

Die "Army Public School", eine vom Militär unterhaltene Schule, liegt nahe einem Wohnviertel von Armeefamilien. Viele Schüler sind Kinder von Militäroffizieren. Binnen einer halben Stunde hatten Hunderte Polizei- und Armeekräfte die Schule umstellt. Hubschrauber kreisten über dem Gebäude. Die Soldaten rückten von Raum zu Raum vor, um die Schule zu sichern. Immer wieder brachten Soldaten Kinder im Eiltempo in Sicherheit. Erst am Abend waren die Kämpfe vorbei und alle Terroristen getötet.

Regierungschef Nawaz Sharif eilte ebenso wie Armeechef Raheel Sharif nach Peschawar. "Wir werden unseren Kampf fortführen, den Terror auszumerzen", versprach Sharif.

Harter Kurs gegen Terroristen

Sharif hatte bei seinem Amtsantritt Friedensgespräche mit den Militanten zu seinen Zielen erklärt. Doch mit dem Anschlag dürfte jede Hoffnung auf eine Lösung am Verhandlungstisch dahin sein. Stattdessen dürfte der Anschlag dem Militär neuen Rückhalt für einen harten Kurs gegen die Terroristen geben.

Die südasiatische Atommacht wird die Geister, die sie rief, nicht mehr los. Einst hatte der Geheimdienst ISI die Taliban im Kampf gegen die Russen in Afghanistan aufgepäppelt. Inzwischen sind auch in Pakistan eigene Talibangruppen erstarkt, die sich gegen ihre einstigen Ziehväter richten und aus Pakistan einen Scharia-Staat machen wollen.

(RP)
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