Kistenweise Botulinum-Ampullen gefunden Pinochets geheimer Nervengift-Vorrat

Santiago de Chile · Das Regime des chilenischen Diktators Augusto Pinochet (1973-1990) hat nach Angaben einer Expertin einen Nervengift-Vorrat gehortet, der Tausende Menschen hätte töten können.

Augusto Pinochet ist tot
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Fast drei Jahrzehntelang hätten zwei Kisten voller Ampullen mit Botulinumtoxin im Keller der chilenischen Gesundheitsbehörde (ISP) unbemerkt gelagert, berichtete deren frühere Direktorin, Ingrid Heitmann, der Nachrichtenagentur dpa. Die Menge hätte ausgereicht, "um sehr viele Menschen umzubringen", so die Mikrobiologin, die das Institut von 2007 bis 2010 leitete. Kleinstdosierungen des Gifts finden heute unter anderem mit dem Handelsnamen Botox in der kosmetischen Chirurgie Verwendung.

2008 seien die Ampullen gefunden worden, als Heitmann die gründliche Reinigung der Kühlschränke im Keller anordnete. Auf ihre Anweisung sei das Gift dann zusammen mit anderen chemischen Proben vernichtet worden. Der Fund sei nie der Justiz oder der damaligen Präsidentin Michelle Bachelet gemeldet worden, räumte Heitmann ein.

Der Fund des Nervengifts hat Brisanz: Das Pinochet-Regime steht im Verdacht, politische Gegner wie den Dichter Pablo Neruda oder Chiles christdemokratischen Ex-Präsidenten Eduardo Frei Montalva mit Gift ermordet zu haben. Beide Todesfälle werden von der Justiz derzeit untersucht. "Ich dachte nicht, dass die Funde für einen Gerichtsprozess wichtig sein könnten", rechtfertigte Heitmann ihre damalige Entscheidung, das Gift zu beseitigen.

Frei, Präsident von 1964 bis 1970, starb 1982 in der Clínica Santa María in Santiago an einem septischen Schock infolge einer Operation. Den Eingriff hatten nachweislich Ärzte vorgenommen, die für den Geheimdienst arbeiteten. In Freis Körper fanden sich laut jüngeren Gerichtsbefunden Spuren der Gifte Sarin und Thallium.

Im selben Stockwerk des Krankenhauses war der Politiker, Dichter und Pinochet-Kritiker Pablo Neruda kurz nach dem Staatsstreich 1973 gestorben. Dessen Familie glaubte von Anfang an nicht an den von der Klinik festgestellten Tod aufgrund seiner Krebserkrankung. Im April 2013 wurde sein Leichnam exhumiert und Gewebeproben in Labore der USA und Spanien gebracht, um dem Verdacht einer Vergiftung nachzugehen.

Nach Angaben von Heitmann stammten die Botulinumtoxin-Ampullen aus dem Forschungszentrum Instituto Butantan in São Paulo - die staatliche Behörde der damaligen brasilianischen Militärdiktatur - und befanden sich seit den 1980er Jahren im Besitz des chilenischen Regimes.

(dpa)
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