Politische Krise in Polen Verfassungsgericht kippt Justizreform der Regierung

Warschau · Das polnische Verfassungsgericht hat die von der nationalkonservativen Regierung angestrebte Justizreform gekippt. Eine Beschneidung ihrer Arbeitsfähigkeit sei nicht hinnehmbar, befanden die Verfassungshüter am Mittwoch.

 Andrzej Rzeplinski, Präsident des polnischen Verfassungsgerichts, fasst sich an den Kopf. Die Politik der neuen Regierung macht auch ihm zu schaffen.

Andrzej Rzeplinski, Präsident des polnischen Verfassungsgerichts, fasst sich an den Kopf. Die Politik der neuen Regierung macht auch ihm zu schaffen.

Foto: dpa, ukit pt

Die Regierung fühlt sich an das Urteil des höchsten Gerichtes allerdings nicht gebunden. Damit verschärft sich inmitten wiederholter Proteste der Bevölkerung gegen die Regierungspartei PiS und Sorgen in der EU um die Demokratie in Polen die dortige Verfassungskrise.

Die PiS hatte ein Gesetz verabschiedet, das die Zahl der Richter erhöht, die für ein Urteil nötig sind. Auch die Reihenfolge, in der Fälle behandelt werden sollen, ändert das Gesetz. Zudem werden Ernennungen von Richtern, die noch von der Vorgängerregierung stammen, rückgängig gemacht. Die PiS argumentiert, dies sei nötig, um die neue Machtbalance im Land nach ihrem Erdrutschsieg im vergangenen Jahr widerzuspiegeln.

Dagegen argumentierte Richter Stanislaw Biernat in der Urteilsverkündung nach zweitägigen Beratung, mit der Reform werde die Fähigkeit des Verfassungsgerichtes beschränkt, unabhängig zu agieren. "Dies verstößt komplett gegen das politische System Polens und kann nicht hingenommen werden", sagte Biernat.

Die Regierung hat bereits erklärt, sie werde das Urteil nicht — wie eigentlich gesetzlich vorgeschrieben — in den Amtsblättern veröffentlichen. Zur Begründung erklärte sie, die Sitzungen des Verfassungsgerichts seien widerrechtlich, da sie nicht nach dem neuen Gesetz abgehalten worden seien.

Das Urteil der Verfassungsrichter kommt zu einem Zeitpunkt, da der Europarat, die führende europäische Organisation für Menschenrechte, in Kürze seine Einschätzung zur Justizreform in Polen veröffentlichen wird. Einem vorab bekannten Entwurf zufolge hält der Europarat die von der Regierung in Warschau betriebene Reform des Verfassungsgerichts für eine Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit.

Die EU-Kommission, die Exekutive der Europäischen Union, will die Einschätzung des Europarates abwarten, bevor sie prüft, ob die polnische Regierung mit ihrem Vorgehen gegen EU-Standards verstößt.

(gol/REU)
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